Russland: Kommunisten fordern Heiligsprechung Stalins

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Weil die russisch-orthodoxe Kirche 1949 in einem Schreiben Stalins Politik positiv bewertet hat, wollen die Kommunisten den Diktator nun als Heiligen. Für das Moskauer Patriarchat eine "ungeheuerliche" Forderung.

Der sowjetische Diktator Josef Stalin (1878-1953) soll nach dem Willen russischer Kommunisten von der orthodoxen Kirche heiliggesprochen werden. Die Kommunistische Partei in der Millionenstadt St. Petersburg begründete ihren Antrag mit alten schriftlichen kirchlichen Wertschätzungen für Stalins Politik, wie die Moskauer Agentur Interfax am Montag meldete.

Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 hatte sich Stalin im "Großen Vaterländischen Krieg" mit patriotischem Pathos von der Kirche Unterstützung versprochen, die Unterdrückungspolitik aufgegeben und die Wahl eines Moskauer Patriarchen zugelassen. Die russisch-orthodoxe Kirche hatte zum 70. Geburtstag Stalins 1949 dessen Politik in einem Schreiben positiv bewertet.

Patriarchat: "Ungeheuerliche" Forderung


Ein Sprecher des Moskauer Patriarchats nannte die kommunistische Heiligsprechungs-Forderung "ungeheuerlich" und erinnerte an die Verfolgung von Gläubigen unter dem Kommunismus. Die Kommunisten lobten den gebürtigen Georgier und ehemaligen Priesterseminaristen Stalin (Josef Wissarionowitsch Dschugaschwili) in ihrem Antrag als "Vater der Völker", der das Land geeint, soziale Mindeststandards geschaffen und den Hitler-Faschismus niedergerungen habe. Unerwähnt ließen sie, dass unter Stalins Herrschaft Millionen Menschen ohne Urteile in Straflager deportiert wurden und ums Leben kamen. Zudem führte die von dem Diktator betriebene Zwangskollektivierung der Landwirtschaft zu Hungersnöten, in deren Folge Millionen Sowjetbürger starben.

Stalin bald "größter russischer Volksheld"?

In einer bis September laufenden Medienaktion zur Wahl des "größten russischen Volkshelden" aller Zeiten übernahm Stalin am Montag wieder die Führung und verwies Zar Nikolaus II. auf Rang zwei. In der Abstimmung "Historische Wahl 2008" des staatlichen Fernsehsenders "Rossija", des historischen Instituts und des Fonds Gesellschaftliche Meinung sind von ursprünglich 500 Kandidaten noch 50 im Rennen, mehr als drei Millionen Stimmen wurden bisher abgegeben.

Der letzte Zar Nikolaus II. aus dem Hause Romanow, seine deutsche Gemahlin Alexandra und ihre Kinder Olga, Tatjana, Maria, Anastasia und Alexej, die in der Nacht auf den 17. Juli 1918 in Jekaterinburg im Ural auf Befehl der Bolschewiken erschossen wurden, sind von der russisch-orthodoxen Kirche kanonisiert worden. Um diese Heiligsprechung gab es einen jahrelangen heftigen Streit innerhalb der kirchlichen Hierarchie. Patriarch Alexi II. hatte sie zunächst mit der Begründung abgelehnt, sie würde darauf hinauslaufen, den Unterschied zwischen politischem Mord und Märtyrertod zu verwischen.

(APA)

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