Lokalaugenschein: Kiesbauer im Gemeindebau

(c) Michaela Bruckberger
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Kiesbauers Auftritt am Mittwoch war einer der ersten im Rahmen des neuen Projekts „Treffpunkt Gemeindebau“. Dabei besuchen österreichische Prominente die Gemeindebauten und diskutieren mit den Bewohnern.

Arabella Kiesbauer ist gekommen. „Wer ist das?“, fragt eine türkische Frau. „Vom Fernsehen“, antwortet eine andere nüchtern. Aufgeregter als die Mütter sind die rund 100 Kinder, die sich im Innenhof des Hermine-Fiala-Hofes in Wien-Favoriten versammelt haben. Denn Kiesbauer soll heute ihre Fragen beantworten.

Kiesbauers Auftritt am Mittwoch war einer der ersten im Rahmen des neuen Projekts „Treffpunkt Gemeindebau“. Dabei besuchen österreichische Prominente mit Migrationshintergrund die Gemeindebauten und diskutieren mit den Bewohnern. Das Thema im Fiala-Hof lautete „Kinder und Integration“. „Ich bin eine neugierige Person“, erklärt Kiesbauer dem fast ausschließlich türkischen Publikum ihren Beweggrund, herzukommen. Einen Gemeindebau besuche sie zum ersten Mal.

Die schüchterne Selin möchte wissen, ob Kiesbauers Job anstrengend sei. „Ein bisschen schon“, sagt Kiesbauer. Das Anliegen von Osman betrifft allerdings nicht Kiesbauer, sondern die anderen Kinder: „Könnt's ihr leiser sein, bitte?“, brüllt Osman ins Mikrofon. Und trifft damit genau jenes Problem, das in diesem – und wohl allen anderen Gemeindebauten – virulent ist: der Lärmpegel. Leiser wird es auch nach Osmans Ermahnung nicht. Dafür entbrennt eine Diskussion über Fußballspiele im Hof und die damit verbundene Ruhestörung.

Keine Wahlkampfveranstaltung

In Wien herrscht Wahlkampf. Dieses Projekt von Wohnpartnern (einer Tochter der Stadt Wien) und projektXchange habe mit dem Wahlkampf allerdings nichts zu tun, sagt Claudia Huemer von den Wohnpartnern. Dass das Projekt jetzt starte, sei „Zufall“.

Dennoch: Der Gemeindebau ist traditionell sozialdemokratisches Terrain. „Die SPÖ versucht, über das Thematisieren von Zuwanderung Stimmen zu gewinnen“, sagt Günther Ogris vom Meinungsforschungsinstitut Sora. Bei diesem Wahlkampf gelte es, die Wechselwähler, die zwischen FPÖ und SPÖ schwanken, für sich zu gewinnen, so Ogris. Dieser Kampf ist auch im Fiala-Hof zu beobachten.

Von ihren begrünten Balkonen blicken einige Bewohner skeptisch in den Hof, wo Kiesbauer Fragen über ihr Alter und ihr Sternzeichen beantwortet. „Mit den Frauen mit Kopftuch will ich nichts zu tun haben“, gibt Mieterbeirätin Gabriele Komma den Tenor einiger Gemeindebaubewohner mit. Aber auch die migrantischen Familien müssten sich mehr bemühen, so Komma: „Etwa einen Fußballverein für ihre Kinder suchen.“ Dann würde sich das Problem mit dem Fußballlärm im Hof auch erübrigen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2010)

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