Lernen am See: Wie Kärnten den Braindrain stoppen will

Bildung. Das Bundesland hat mit die höchste Maturantenquote, aber viele Junge ziehen für das Studium fort. Landeshauptmann Kaiser will Studenten ins Land locken. Er setzt auf Internationalisierung der Schulen und „Lernen statt arbeiten“ in den Betrieben.

Kärnten hat – zusammen mit dem Burgenland – von allen österreichischen Bundesländern den höchsten Anteil an jungen Leuten, die eine Matura machen. Eigentlich eine gute Voraussetzung für eine ausreichende Zahl an gut ausgebildeten Arbeitskräften, möchte man meinen. Aber die meisten Maturanten zieht es zum Studium in die Ferne, vor allem nach Graz oder Wien.
An einer mangelnden Attraktivität der tertiären Ausbildung vor Ort liege es nicht, meint Landeshauptmann Peter Kaiser von der SPÖ. Die noch junge Universität in Klagenfurt – sie feiert 2020 ihr 50-Jahr-Jubiläum – sei „in den Rankings mittlerweile äußerst sichtbar“. Ein Exzellenzstudium für Elektrotechnik, befüllt auch mit dem Know-how von Infineon und zum Teil in englischer Sprache, ist in Planung. Die weiteren Institutionen – Fachhochschule, die pädagogische Viktor-Frankl-Hochschule und die in Gründung befindliche „Privatuniversität des Landes Kärnten“ – sollen sich im Angebot nicht mehr duplizieren, sondern eigene Schwerpunkte entwickeln. Unter dem Stichwort „die Uni am See“ soll der Studienort Klagenfurt auch Studenten von anderswo anlocken, um den Braindrain der jungen Kärntner durch einen Braingain in der Gegenrichtung wieder auszugleichen.

Offen statt „patriotisch“

Im sekundären Bildungssektor bemüht sich die aktuelle Landesregierung (eine Koalition von SPÖ und ÖVP) um einen „Internationalisierungsschub“. Es gibt nun eine englischsprachige Schule und ein slowenisches Gymnasium mit einem Fünf-Sprachen-Zweig. Vier von fünf Kärntner Berufsschülern machen mittlerweile Auslandspraktika, im Rahmen von Erasmus plus (vier bis sechs Wochen in anderen europäischen Staaten) oder von Kooperationsprogrammen mit den Nachbarn Slowenien und Italien. Mit diesen Initiativen will Kaiser sich von der Vergangenheit absetzen: „Wir haben eine andere Handschrift als Vorgängerregierungen, die die Dinge sehr patriotisch gesehen haben.“
Dennoch gibt es einen akuten Facharbeitermangel in der Kärntner Industrie. Der Landeshauptmann setzt auf mehr „Lernen im Job“ – und lässt mit einem Vorschlag aufhorchen: Ein „probates Mittel“ wäre, in „Unternehmen mit einer starken digitalen Entwicklung nur mehr zum Beispiel 35 Stunden pro Woche arbeiten zu lassen und dafür drei Stunden fortzubilden“. Damit könnte „die Fachkraft, die der Betrieb ja hat, die neuen Kompetenzen dazugewinnen“, wovon am Ende alle Beteiligten profitieren würden.
Besonders hoch qualifizierte Mitarbeiter brauchen die neuen Forschungseinrichtungen, die sich vor allem im Raum Villach angesiedelt haben. Auch hier ist das Zugpferd der Halbleiterkonzern Infineon mit seinen über 3000 Mitarbeitern an diesem Standort: In seinem Umfeld sind allein 82 Spin-offs entstanden.

Viele Mittel für Forschung

Das Bundesland hat deshalb auch einen hohen Anteil von Forschung und Entwicklung am regionalen BIP: Bei der letzten EU-Erhebung von 2015 lag er bei 3,15 Prozent der Wirtschaftsleistung; die Landesregierung peilt bis Ende der Legislaturperiode im Jahr 2023 sogar eine Quote von vier Prozent an.
Trotz vieler Maßnahmen: Angebot und Nachfrage passen auf dem Kärntner Arbeitsmarkt noch immer nicht wirklich zusammen. Die Wirtschaft sucht nach Fachkräften, aber die Arbeitslosenquote ist mit zuletzt 7,5 Prozent im Bundesländervergleich die zweithöchste nach Wien.
Der Trend stimmt allerdings, die Zahl der Arbeitslosen geht seit 2016 überdurchschnittlich stark zurück. Außer in zwei Bereichen: bei den öffentlichen Bediensteten, bei denen das Land laut Kaiser den Beschäftigtenstand „sukzessive abbaut, aber ohne Qualitätsverlust“.
Keineswegs gewollt ist aber der weitere Anstieg bei den älteren Erwerbslosen. Hier trauert Kaiser der „Aktion 20.000“ der früheren Bundesregierung nach: „Das hat uns sehr viel gebracht. Ich bedaure immens, dass es das nicht mehr gibt.“
Aber ist es denn sinnvoll, so teure Beschäftigungsprogramme mitten in einer Hochkonjunktur aufrechtzuerhalten? „Das ist ein rein betriebswirtschaftliches und kein volkswirtschaftliches Argument.“ (gau)

Mehr erfahren


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.