Manfried Rauchensteiner: „Ich tendiere nicht zum Biertisch-Strategen“

(c) Clemens Fabry
  • Drucken

Als Patriarch, der manchmal ungeduldig wird, beschreibt sich Manfried Rauchensteiner. Der ehemalige Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums ist als Experte für Militär-und Zeitgeschichte national wie international gefragt.

„Bis zu seinem Tod hat Kaiser Franz Joseph nie von Frieden gesprochen. Und er hat sehr wohl damit gerechnet, dass es kein isolierter Krieg gegen Serbien sein wird. Die tatsächlichen Dimensionen des Ersten Weltkrieges waren ihm aber völlig unklar, das gilt auch für die höchsten Militärs und noch mehr für die Politiker.“ Im Gedenkjahr 2014 war und ist Manfried Rauchensteiner stark gefragt. Der ehemalige Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums (HGM) und Universitätslehrer schrieb sein Standardwerk, „Der Tod des Doppeladlers“, neu: „Der Erste Weltkrieg“, über 1200 Seiten stark, kam beim Böhlau-Verlag heraus. Mit Christopher Clark, der sich in „Die Schlafwandler“ den Ursachen des Ersten Weltkriegs widmete, diskutierte Rauchensteiner in der „Zeit“.
Gibt es Parallelen zwischen Österreich in der Zeit des Ersten Weltkriegs oder der Zwischenkriegszeit und aktuellen Konflikten in der Ukraine oder im Nahen Osten? „Nein“, sagt Rauchensteiner: „Man kann die paramilitärischen Organisationen wie Heimwehr oder Schutzbund, die um die Macht in Österreich kämpften, nicht mit Terroristen vergleichen, die einen neuen Staat anstreben. Und überhaupt sollte man sich hüten, ein Biertisch-Stratege zu werden. Der Historiker analysiert, meist im Rückblick. Natürlich ist es unvermeidlich, dass man sich um die Tagespolitik Gedanken macht, aber ich würde mir da kein echtes Urteil erlauben.“
Wie lebt der Wissenschaftler, der seit 47 Jahren verheiratet ist, drei Kinder und sechs Enkelkinder hat? „Ich bin der Patriarch“, sagt er, fügt aber dann gleich hinzu: „Fallweise darf ich an Entscheidungen mitwirken.“ War er ein strenger Chef im HGM, wo er ab 1966 tätig war und von 1992–2005 Direktor? „Wahrscheinlich. Ich bin ungeduldig. Wenn ich mir etwas vornehme, was dann nicht durchzusetzen ist, werde ich unleidlich.“ Als einen der „Brüche“ in seiner Karriere bezeichnet Rauchensteiner, dass es unmöglich war, die Politik von einem großen HGM-Zubau zu überzeugen, wo die Geschichte ab 1918 dokumentiert werden sollte.
„Helle Aufregung“ habe es dann immer wieder um seine Veränderungen im HGM gegeben, als er im Gedenkraum für Franz Ferdinand die schwarzen Vorhänge entfernte oder die Zwischenkriegszeit und den Ersten Weltkrieg im Marine-Saal darstellte: „Es war eben vieles sakrosankt, und jeder Eingriff in Bestehendes wurde als unsäglich empfunden.“ Als Wissenschaftler hat er sich durchgesetzt, 15 Bücher hat er geschrieben, als Nächstes betreut er als Herausgeber und als einer der Autoren ein Buchprojekt über autoritäre Tendenzen im Österreich der Zweiten Republik.

Geschichte statt Medizin

Monarchist sei er nie gewesen, betont er: „Ich bin 1942 geboren. Für mich hat es nie etwas anderes gegeben als die demokratische Republik.“ Frühe Erinnerungen sind „ein brennendes Klagenfurt nach einem Luftangriff – und dann die britischen Besatzungssoldaten bei ihrer Abschiedsparade“. 1951 starb Rauchensteiners Vater. „Ich wollte Chemie studieren, aber ich fürchte, in Mathematik wäre ich gescheitert. Medizin wäre zu teuer gewesen, es gab fast keine Stipendien.“ Rauchensteiner wählte Germanistik, Kunstgeschichte, Geschichtswissenschaft. 1975 habilitierte er sich für österreichische Geschichte an der Universität Wien.

Zur Person

Manfried Rauchensteiner, geboren am 25. Juli 1942 in Villach, war seit 1966 wissenschaftlicher Beamter am Heeresgeschichtlichen Museum (HGM), von 1992 bis zur Pension 2005 HGM-Chef. Er ist Dozent an den Universitäten in Wien und Innsbruck. Rauchensteiner war jahrelang Koordinator für das neue Militärhistorische Museum der deutschen Bundeswehr in Dresden, das 2011 eröffnet wurde.


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.