Flüchtlinge willkommen: In WG- und Kinderzimmern

David Zistl
David Zistl(c) Flüchtlinge Willkommen
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Wie eine Gruppe von Studenten mit einer Onlineplattform Privatzimmer für Flüchtlinge vermittelt.

Integration? Sie funktioniert eher nicht, wenn Menschen gemeinsam mit anderen Geflüchteten eingepfercht und von der restlichen Bevölkerung Österreichs isoliert in Massenunterkünften leben. Diese Einschätzung und die Erfahrung, dass die Wohnungssuche besonders für anerkannte Flüchtlinge, die aus der Grundversorgung des Bundes entlassen werden und schnell eine eigene Bleibe brauchen, in Wien extrem schwierig ist, war der Anstoß für die Gründung der Plattform „Flüchtlinge willkommen“, erzählt Initiator David Zistl. Der Student hatte durch seine Arbeit bei Prosa (Projekt Schule für alle, ein Verein, in dem junge Asylwerber auf den Pflichtschulabschluss vorbereitet werden) Erfahrung mit den Schwierigkeiten junger Flüchtlinge. So gründete er Anfang dieses Jahres mit einer Gruppe von Studenten einen Österreich-Ableger der deutschen Onlineplattform „Flüchtlinge willkommen“.

Sie funktioniert im Wesentlichen wie eine gewöhnliche Wohnungsbörse: Wer ein freies Zimmer in einer WG oder einem Haus anbieten möchte, kann sich melden. Wer ein Zimmer sucht – und nach Österreich geflüchtet ist – ebenso. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter des Vereins klären dann, welche Erwartungen und Wünsche beide Seiten haben und wer zueinanderpassen könnte. Darunter sind Studenten mit freien WG-Zimmern, ältere Leute mit großen Wohnungen, in denen sie gern Gesellschaft hätten, Familien, die ein Zimmer frei haben. „Es geht ums Zusammenwohnen, aber auch um den sozialen Austausch, darum, dass jemand in das soziale Netz einer WG oder Familie eingebunden wird“, sagt Veronika Emm vom Verein. Bisher wurden so 80 Zimmer vermittelt – und es warten noch etliche auf ihre neuen Mitbewohner: Die Zahl der Anbieter freier Zimmer ist heuer kontinuierlich gewachsen. Im Mai etwa waren es 55, im August schon 350, die sich neu gemeldet haben. Und es könnten noch viel mehr werden, der Bedarf ist ohnehin riesig. Auch „Flüchtlinge willkommen“ ist gewachsen: Aus der Studentengruppe ist eine Initiative mit 50 ehrenamtlichen Mitarbeitern, von Studenten bis Pensionisten, in ganz Österreich geworden.

Sie vermitteln Zimmer, helfen beim Umzug oder organisieren Sachspenden. Und stehen auch, wenn es um die Finanzierung geht, zur Seite: Einige, etwa gut situierte Familien, bieten die Zimmer mietfrei an. Andere, Studenten-WGs zum Beispiel, organisieren die Miete für die ersten Monate eigenständig: „Oft sammeln sie im eigenen Umfeld oder finanzieren das Zimmer über Mikrospenden – in einem Fall sind nach einem Facebook-Aufruf für ein Zimmer schnell 2400 Euro Spenden zusammengekommen“, sagt Emm. Diese Einbindung der Flüchtlinge in das soziale Netz der neuen Mitbewohner sei für beide Seiten eine Bereicherung: Die Einheimischen, erfahren durch die persönliche Begegnung einen neuen Umgang mit dem Thema Asyl und Zuwanderung. Flüchtlinge kommen so in Kontakt mit Österreichern, der in anderen Unterkünften oft fehlt. „Sie kommen im Zentrum der Gesellschaft an, man begegnet ihnen auf Augenhöhe. In Asylheimen kriegen sie den Stempel ja nie los“, sagt Zistl. Und die Erfahrungen bisher? Sie seien durchwegs positiv, so die Studenten, und erzählen von einem Abend kürzlich am Karlsplatz: mit Freunden, ihrem neuen, syrischen Mitbewohner und dessen syrischen Freunden – eben ganz wie in gewöhnlichen Studenten-WGs.


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