Vassilakou: "Dass es nicht in einer Groteske endet"

Vassilakou Dass nicht einer
Vassilakou Dass nicht einer(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Wiens grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou steht unter Druck wie noch nie seit ihrem Amtsantritt. Derzeit ist sie konfrontiert mit 150.000 Unterschriften gegen die von ihr geplante Ausweitung des Parkpickerls.

Bürgermeister Michael Häupl hat die Verhandlungen zur Parkpickerl-Ausweitung an den Start zurückgeschickt. Kann die Koalition daran zerbrechen?

Maria Vassilakou: Keinesfalls. Die Koalition arbeitet seit eineinhalb Jahren hervorragend zusammen. Die Robustheit dieser Zusammenarbeit sieht man gerade dann, wenn man gemeinsam schwierige Projekte umsetzt. Die Ausweitung des Parkpickerls ist zweifelsohne die komplexeste Aufgabe, die wir in den nächsten Jahren zu bewältigen haben.

Sie sind beim Parkpickerl aber von Häupl zurückgepfiffen worden.

Das sind wilde Fantasien, in denen der Bürgermeister in eine Art Schiedsrichter-Rolle versetzt wird. Aber Häupl ist sicher kein Schiedsrichter. In der wirklichen Welt sind der Bürgermeister und ich seit einigen Wochen in intensiven Gesprächen, um eine gemeinsame Vorgangsweise festzulegen – wegen jener Wiener, die gegen das Parkpickerl unterschrieben haben. Deren Protest werden wir in einer respektvollen und würdigen Art entgegennehmen. Wir sind deshalb gemeinsam zur Entscheidung gekommen, dass wir die ÖVP zu Gesprächen einladen – weil die ÖVP erklärt hat, dass sie grundsätzlich nicht gegen das Prinzip der Parkraumbewirtschaftung ist.

Es stellt sich trotzdem die Frage, ob Sie Ihr Ressort im Griff haben. Immerhin hat Häupl eingreifen müssen und auch die ÖVP zu Hilfe geholt.

Mir ist bewusst, dass es hier viele schrullige Fantasien gibt. Fakt ist, dass die Grünen im ersten Jahr ihres Wirkens Erfolge erzielt haben, die sich sehen lassen können.

Erfolge?

Wir haben innerhalb eines Jahres einen Rekord beim Verkauf von Jahreskarten der Wiener Linien, wir haben so viele Öffi-Fahrer wie nie zuvor, wir haben den Öffi-Anteil innerhalb eines Jahres um ein Prozent erhöhen können. Der Radverkehrsanteil ist um ein Prozent gestiegen, der Autoverkehrsanteil um zwei Prozent gesunken. Das zeigt, dass der eingeschlagene Weg wirksam ist. Dass eine ökologische Verkehrspolitik in der Stadt nicht nur Freunde hat, hat man schon vorher gewusst.

Haben die Grünen das Thema unterschätzt?

Die Stadt hat eine enorme Widerstandswelle bei der Ersteinführung der Parkraumbewirtschaftung innerhalb des Gürtels bewältigen müssen. Bedauerlicherweise ist das mehr als zehn Jahre später noch immer problematisch – obwohl die Parkraumbewirtschaftung innerhalb des Gürtels sensationell gewirkt hat. Niemand will sich dort noch ein Leben ohne Parkraumbewirtschaftung vorstellen.

Innerhalb des Gürtels gibt es aber laufend Kritik, dass Anrainer trotzdem keinen Parkplatz bekommen.

Der Stellplatzdruck hat spürbar nachgelassen, die Anzahl der Autofahrten innerhalb des Gürtels hat abgenommen, es gibt dort österreichweit den geringsten Autobesitz. Deshalb will niemand zurück. Trotzdem kommen bei der geplanten Ausweitung dieselben Widerstände und Argumente wie damals.

Bremst der enorme Widerstand die geplante Ausweitung des Parkpickerls auf die Außenbezirke?

Alle Städte brauchen die politische Bereitschaft, schwierige Maßnahmen umzusetzen, die im Sinne des Allgemeinwohls sind. Ohne diese Maßnahmen führt das zu schlechter Luft, Feinstaub, zu einer Stadt, die in Klimagasen und im Stau erstickt – wo man eine Stunde im Kreis fährt, um einen Parkplatz zu finden. Ich kenne niemanden in Wien, der das will.

Die Wiener Grünen wollen ja auch eine Reform des Parkpickerls. Welches Modell?

Seit Jahren ist im grünen Programm der Vorschlag einer Staffelung der Gebühren, also einer Zoneneinteilung. Am Stadtrand soll es am günstigsten sein, je näher es Richtung Innenstadt geht, desto teurer. Jetzt ist eine gute Gelegenheit zu diskutieren, um vielleicht ein gemeinsames Modell zu finden.

Das klingt nach dem Drei-Zonen-Modell der Wiener ÖVP.

Man wird sich das ansehen müssen, die Modelle vergleichen und sehen, wo man sich findet. Welche Weiterentwicklung auch immer kommt: Die oberste Priorität ist, die guten Effekte innerhalb des Gürtels nicht infrage zu stellen.

Die VP will nach Abschluss der Verhandlungen, egal welches Modell herauskommt, eine Volksbefragung. Das ist für die VP eine Grundbedingung.

Ich befürworte Volksbefragungen zu Fragestellungen, die verfassungskonform sind. Mehr habe ich an dieser Stelle nicht zu sagen.

Die Grünen haben aber ein Rechtsgutachten der Stadt vorgelegt, dass eine Befragung nicht verfassungskonform ist.

Das Rechtsgutachten der Stadt Wien stellt eindeutig fest, dass die eingereichte Fragestellung rechtswidrig ist. Ich habe das nicht zu bewerten, sondern der Verfassungsdienst der Stadt.

Wie viel ist dieses Gutachten wert? Es gibt Gegengutachten der ÖVP und FPÖ, die zu einem anderen Schluss kommen.

Wir müssen aufpassen, dass das nicht in einer Politgroteske endet. Die Bürger erwarten, dass wir uns zusammensetzen und eine Lösung erarbeiten. Wenn eine Fragestellung nicht zulässig ist, muss man gemeinsam eine Lösung finden, wie man mit dieser schwierigen Situation umgeht – ohne die Wähler vor den Kopf zu stoßen.

Bei 150.000 Unterschriften gegen die Parkpickerl-Ausweitung muss Rot-Grün aber handeln – oder wird das ignoriert?

Mir ist wichtig, dass der Protest dieser Menschen ernst genommen wird, dass die Spaltung überwunden wird. Ich lade die ÖVP ein, wenn eine abschließende Bewertung des Verfassungsdienstes vorliegt, gemeinsam mit uns einen Weg zu erarbeiten, wie wir mit den Protestunterschriften umgehen.

Apropos Verkehr. Ihr Verkehrssprecher Rüdiger Maresch hat vorgeschlagen, Tempo 30 in der Nacht auf allen Wiener Durchzugsstraßen einzuführen. Ist das wirklich sein Ernst?

Er hat wenig überraschend darauf hingewiesen, dass sich dieser Vorschlag im grünen Programm findet. Es gibt aber einen Unterschied zwischen grünem Parteiprogramm und dem Koalitionsübereinkommen. Dort findet sich dieses Vorhaben nicht.

Die Grünen haben sich bisher fast ausschließlich für ihr Kernklientel eingesetzt. Wollen Sie 2015 nur mit den Stimmen der Radfahrer gewinnen?

Gewinnen möchte ich die nächste Wahl mit den Stimmen derjenigen, die stolz darauf sind, in einer lebenswerten Stadt zu wohnen – mit guter Luft, ohne Dauerstau, ohne Abgase, ohne Motorenlärm. Also in einer Stadt, die die Kinder nicht krank macht, in der es ausreichend Raum für alle gibt zum Flanieren, zum Sitzen in den Schanigärten, dass Kinder vor der Haustüre spielen können. Also eine Stadt voller Leben im öffentlichen Raum. Diese Stadt ist machbar, daran arbeiten wir. Nach dieser Stadt sehnt sich ein wesentlich größerer Teil der Wiener Bevölkerung, als bisher grün gewählt haben. Ich würde sagen dreimal so viele.

36 Prozent der Wiener könnten Grün wählen? Das klingt völlig unrealistisch.

Das Potenzial ist sehr groß. Wenn wir es gut machen, werden wir an unseren Erfolgen gemessen werden. Von den Grünen erwartet man eine ökologische, klimafreundliche Stadtpolitik. Daran werden wir gemessen.

53 Jahre kurzparkzone

Erste Kurzparkzone 1959
Vor 53 Jahren wurden die ersten Kurzparkzonen Wiens im ersten Bezirk eingerichtet. Vorerst nur in einigen kleineren Straßenbereichen; schrittweise wurden diese Zonen auch auf andere Bezirke ausgedehnt.

Vier Schilling für eine Stunde Parken
Reichten in den ersten Jahren Parkuhren zur Dokumentation der Parkzeit, so wurden im April 1975 die Kurzparkzonen gebührenpflichtig. Zu Beginn zahlte der Autofahrer vier Schilling (29 Cent) für die Stunde. Nur elf Jahre später zahlte man schon dreimal so viel (zwölf Schilling). Im Zuge der Euro-Umstellung 2002 wurde die Gebühr auf 80 Cent pro Stunde reduziert. Seit März 2012 zahlt man zwei Euro.

Flächendeckende Gebührenpflicht
Ab 1993 wurden Bezirke sukzessive flächendeckend gebührenpflichtig. Heute sind die Bezirke eins bis neun sowie 20 durchgehend parkraumbewirtschaftet. Ab 1.Oktober sollen große Teile des 12., 14., 15., 16. und 17. auch gebührenpflichtig werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.07.2012)

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