Demografie: Arbeiten in der Pension ist nicht populär

(c) Clemens Fabry
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Alte Leute sind immer länger fit, und der Wirtschaft fehlen Fachkräfte. Eine Lösung wäre, mehr Pensionisten arbeiten zu lassen, meint die Plattform Seniors4success. Doch in Österreich macht das kaum jemand.

Wien. Der Versandhändler Otto hat es getan. Und der Technologiekonzern Bosch. Beide nutzen das Know-how pensionierter Mitarbeiter. Die Otto Group Senior Expert Consultancy GmbH, die im letzten Mai ins Leben gerufen wurde, hat momentan einen Pool von 30 ehemaligen Mitarbeitern. „Derzeit sind fünf davon in Hamburg im Einsatz“, sagt Personalmanager Christoph Ebeling. Die Senioren arbeiten maximal 50 Tage im Jahr, meist in beratender Funktion für zeitlich begrenzte Projekte.

Die Bosch Management Support GmbH gibt es schon seit 1999. Zu Beginn des Projekts waren es 80, mittlerweile sind 880 Pensionisten im Alter zwischen 60 und 75 für Bosch weltweit im Einsatz. „Wir wollten teils 40 Jahre geballte Bosch-Erfahrung eines Mitarbeiters nicht einfach verlieren“, sagt Tilman Todenhöfer, ehemaliger Geschäftsführer der Bosch-Gruppe und Mitinitiator des Projekts.

Zwei Drittel wollen Frühpension

In Österreich sucht man Beispiele in dieser Größenordnung vergeblich. Dabei ist die Lage ernst: „Alle 24 Stunden steigt unsere Lebenserwartung um sechs Stunden“, sagt Leopold Stieger, Gründer der Plattform seniors4success, der anlässlich deren siebenjährigen Bestehens am Donnerstag eine Zwischenbilanz zog. Während in anderen europäischen Ländern, allen voran den skandinavischen, bereits ein Umdenken eingesetzt habe, hinke Österreich trotz demografischer Veränderungen und Fachkräftemangel hinterher. Eine Umfrage des Market-Instituts zeigt, dass zwei Drittel der österreichischen Arbeitnehmer frühestmöglich in Pension gehen wollen.

Und das, obwohl 80 Prozent angeben, dass sie ohne Weiteres gesundheitlich dazu in der Lage wären, zumindest bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter zu arbeiten. Dabei unterschätzen viele die psychischen Folgen eines abrupten Eintritts in die Pension: „Die Pensionierung ist einer der Hauptstressoren, ähnlich der Arbeitslosigkeit“, sagt der deutsche Wirtschaftspsychologe Jürgen Deller. Trotzdem würden nur wenige Unternehmen ihre Mitarbeiter vor der Pensionierung fragen, ob sie weiterarbeiten wollen.
In Deutschland ist die Bereitschaft der Bevölkerung, länger zu arbeiten, höher: „47 Prozent der 55- bis 64-jährigen Deutschen wollen auch nach dem Eintritt in den Ruhestand erwerbstätig bleiben“, sagt Deller. De facto würden das aber in Deutschland nur zehn Prozent, in Österreich nur 9,5 Prozent in die Tat umsetzen. In Schweden arbeiten bereits 15,4 Prozent der Pensionisten weiter.

Pensionisten statt Leiharbeiter

Eine der wenigen österreichischen Firmen, die Pensionisten weiter beschäftigen, ist die Welser Firma Austria Plastics. „Wir haben fünf ehemalige Mitarbeiter, die bei uns nach Lust und Laune arbeiten können. Sie müssen allerdings unter der Geringfügigkeitsgrenze bleiben“, sagt Firmenchefin Renate Pyrker. Entlohnt wird nach einem Stundensatz von acht Euro. „Für mich ist das finanziell viel besser, als wenn ich bei Bedarf Leiharbeiter beschäftigen muss. Die kosten mich netto 30 Euro die Stunde“. Allerdings sei der administrative Aufwand sehr hoch, weil sie die Leute ständig an- und abmelden müsse.

Einige der österreichischen „Sünden“, die zur mangelnden Nutzung älterer Talente führen, nennt Wolfgang Mazal vom Institut für Arbeits- und Sozialrecht. Etwa das starre Anciennitätsprinzip in der Entlohnung, das ältere Arbeitskräfte zu teuer mache, die zu geringe Teilzeitkultur, das zu niedrige Pensionsantrittsalter von Frauen und eine generelle Entgleisung der Arbeitszeit. „Wir brauchen eine stärkere Individualisierung der Arbeitszeit“, sagt Mazal. „Da treffen sich die Wünsche der Jungen und der Älteren“.

Auf einen Blick

Seniors4succes ist eine Plattform für Menschen vor und nach der Pensionierung. Gegründet wurde sie 2005 vom Personalentwickler Leopold Stiegler. Ziel ist, Pensionisten wie Arbeitgeber auf das brachliegende Potenzial der „Silveragers“ aufmerksam zu machen und der Frage „Wer braucht mich noch?“ ihren Schrecken zu nehmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2013)

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