Infrastruktur: Auf breiter Spur nach Österreich

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Slowakei und Russland halten an Plänen für eine Breitspur-Eisenbahn nach Österreich fest. Weder Österreicher noch Slowaken sind vom teuren Projekt begeistert.

Pressburg. Russische Schienentransporte sollen ohne Umladen bis nach Wien rollen können. Das wünschen sich zumindest der slowakische Ministerpräsident Robert Fico und der scheidende russische Regierungschef Viktor Subkow. Auch aus Österreich gebe es dafür Zustimmung, behauptete Fico kürzlich bei einem gemeinsamen Pressebriefing mit Subkow in Pressburg. Eine trilaterale Arbeitsgruppe der am geplanten Projekt beteiligten Länder Russland, Slowakei und Österreich arbeite „intensiv“ an den Vorbereitungen dafür. „Falls es keine unerwarteten Hindernisse gibt, kann im Jahr 2010 mit dem Bau begonnen werden“, gab sich der slowakische Ministerpräsident zuversichtlich.

Der Sozialdemokrat hatte schon vor seiner Regierungsübernahme vor bald zwei Jahren bemängelt, dass die Slowakei nach dem Zerfall des Ostblocksystems ihre Wirtschaftsbeziehungen zum neuen und postkommunistischen Russland sträflich vernachlässige. Neben einer weiteren Verstärkung der Zusammenarbeit im Energiesektor, die ebenfalls ein wichtiges Thema beim Treffen Ficos mit Subkow war, ist die Verlängerung des russischen Breitspur-Eisenbahnsystems durch die ganze Slowakei nach Österreich ein Lieblingsthema Ficos – und ein großer Wunsch der Russen.

Widerstand im Land

Das Eisenbahnsystem der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion hat nämlich eine größere Spurbreite als das west- und mitteleuropäische. Deshalb müssen Schienentransporte aus Russland und der Ukraine derzeit im ostslowakischen Grenzbahnhof Cierna nad Tisou auf Waggons mit schmalerer Spurbreite umgeladen werden. Das kleine Grenzstädtchen lebt fast nur von seiner Bedeutung als Verladebahnhof für diese Gütertransporte.

Ostslowakische Regionalpolitiker haben deshalb schon im Vorjahr mit Entsetzen auf Ficos Verlängerungspläne für die Breitspurbahn reagiert, die in Cierna und Umgebung wohl Massenarbeitslosigkeit zur Folge hätte. Slowakische Medien zitierten ukrainische Regierungspolitiker, die es als „Irrtum“ bedauerten, dass die Ukraine einst die Breitspur mitgebaut habe, wo sie doch jetzt mit dem westlichen System viel besser fahren würde. Auch bei der slowakischen Bahn hält sich die Begeisterung in Grenzen. Die Kosten des Projekts wären laut dem Management der staatlichen slowakischen Eisenbahnen hoch, die Kassen der Eisenbahner aber leer. Das Thema schien seit einigen Monaten erledigt, bis es Fico und Subkow nun wieder in öffentliche Erinnerung riefen. Fico fürchtet vor allem, dass Polen, Ungarn oder andere Länder das Projekt übernehmen könnten, wenn sich die Slowakei nicht engagiert genug zeige. Für Russland ist die Verlängerung der Breitspurbahn äußerst lukrativ.

Russen wollen Breitspur-Bahn

Der Direktor für internationale Beziehungen der russischen Eisenbahngesellschaft, Alexej Awerin, schilderte slowakischen Medien schon im vergangenen Juni in schillerndsten Farben die Vorteile: Da Russland als Automarkt boome, würden schon jetzt immer mehr westliche Autofirmen Teile ihrer Produktion direkt dorthin verlegen, um näher beim Kunden zu sein. Dadurch entstehe die Chance auf ein enormes Transportvolumen zwischen den Automobilzentren beispielsweise in Tschechien und in der Slowakei – wenn halt die richtige Infrastruktur dafür vorhanden sei. Doch auch in Österreich, wohin die große Umladestation dann aus der Ostslowakei wandern sollte, ist die Begeisterung anscheinend gar nicht so groß, wie Fico und die Russen gerne hätten: Man wolle die Zusammenarbeit mit der Slowakei, Ukraine und Russland auf den bestehenden Korridoren verstärken, die Frage der Spurbreite sei dabei aber nicht vordringlich, wurde der „Presse“ seitens der ÖBB erklärt. Ähnlich lautete die Reaktion aus dem Büro von Verkehrsminister Werner Faymann.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2008)

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