Die unheimliche Anziehungskraft des Jacob Zuma

Plakat von Jacob Zuma
Plakat von Jacob Zuma(c) EPA (KIM LUDBROOK)
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Praktisch keine Schulausbildung, empfänglich für korrupte Zuwendungen, ein Polygamist und bekennender Schwerenöter, ein tanzender Volkstribun. Südafrikas nächster Präsident Jacob Zuma hat einen schlechten Ruf.

KAPSTADT. Der Mandela-Frühling ist längst verblüht. Es folgten Sommer und Herbst, Aids-Pandemie und Xenophobie, unter Thabo Mbeki. Jetzt droht der lange Winter unter Jacob Zuma. Ein Mann, wie geschaffen für die Karikatur des „Big Man in Africa“: praktisch keine Schulausbildung; unfähig, mit Geld umzugehen und daher empfänglich für korrupte Zuwendungen; ein Polygamist und bekennender Schwerenöter, der bisher 18 Kinder gezeugt hat, ein tanzender Volkstribun.

Ein künftiger Präsident, der Unternehmern verspricht, dass sich nichts, Sozialisten, dass sich vieles ändern wird; dem schwarzen Proletariat, dass Vater Staat ihre Not demnächst lindern wird und der weißen Mittelklasse, dass ihre Besitzstände unangetastet bleiben.

Zuma verhöhnt Homosexuelle – und entschuldigt sich tags darauf dafür. Er stellt die Wiedereinführung der Todesstrafe in Aussicht – und betont später, er selbst sei dagegen. Er droht korrupten Beamten den sofortigen Rausschmiss an – und war doch selbst jahrelang angeklagt, sich mit umgerechnet 400.000 Euro bestechen zu lassen.

Dieser Mann soll am Mittwoch gewählt werden, am 9.Mai den Amtseid leisten und dann die einzig funktionierende, demokratisch geführte Volkswirtschaft südlich von Rom leiten?

Jacob Zuma wurde vor 67 Jahren als Sohn einer Putzfrau im Zululand geboren. Der Vater starb früh. Zuma ging kaum zur Schule und schlug sich als Hirte und Handlanger durch. Mit 20 trat er dem militanten Flügel des ANC bei, mit 21 saß er bereits auf Robben Island; dort, während des zehnjährigen Zuchthausaufenthalts, begann seine eigentliche Ausbildung.

Ex-Geheimdienstchef

Nach seiner Entlassung ging er ins Exil und wurde schließlich Chef des Geheimdienstes des African National Congress (ANC). 1994, nach der Wahl Mandelas, wurde er Minister in seiner Heimatprovinz KwaZulu-Natal, 1999 dann Vizepräsident unter Mbeki (der das Amt erst dem Zulu-Prinz Buthelezi angeboten hatte, eine Ohrfeige für Zuma).

Alle mochten ihn. „JZ“ ist jovial, warmherzig und offenbar farbenblind, was Südafrikas Ethnien angeht. Aber niemand nahm Zuma ernst, zumal Mbeki ihn 2005 wegen der Korruptionsverdächtigungen als Vize gefeuert hatte. Aber zwei Jahre später zettelte Zuma die perfekte Palastrevolution an: Nicht nur wurde der Parteichef (Mbeki) bei dem ANC-Parteitag abgewählt und gedemütigt, sondern gleich die komplette Parteispitze ausgewechselt.

Wohl in seiner Haut

Auf der Liste der 80 Mitglieder der Nationalexekutive verloren die Vizepräsidentin, neun Kabinettsminister und acht Ministerpräsidenten ihre Plätze. Alles in allem ein im postkolonialen Afrika beispielloser Vorgang.

Bis dahin hatte man Thabo Mbeki für Südafrikas Antwort auf Niccolò Machiavelli gehalten. Ein Meister des politischen Schachspiels, immer zwei Züge voraus; der stumme Pfeifenraucher, der lächelnd zusieht, wie sein Plan aufgeht. Dass der vermeintlich tumbe Zuma den listigen Mbeki ausmanövrierte, hat am Kap viel Freude ausgelöst. Im Gegensatz zu dem komplexbeladenen, von Rasse und Hautfarbe besessenen Mbeki fühlt sich Zuma, wie einst Mandela, wohl in seiner Haut. Nachdem Mbeki auf Druck seiner Partei im September auch sein Amt als Präsident abgeben musste, konnte Südafrika binnen Wochen seinen Pariastatus beim Thema Aids abschütteln, Mbekis übelstes Erbe.

Eine unblutige Revolution von unten ist erfrischend. Aber auf die Phase der Begeisterung folgt in der Politik oft die Phase der Intrigen, der Gier und der Rache. Ob der neue Volkskongress (Cope), der von abgehalfterten Mbeki-Loyalisten gegründet wurde, je mehr als ein „ANC light“ sein kann, weiß man erst nach der Wahl am Mittwoch. Sollte die neue Partei den ANC auf unter 66Prozent drücken, hätte sie der Demokratie Südafrikas einen guten Dienst erwiesen: Derzeit stellt der ANC 297 von 400 Abgeordneten.

Vor der Linkskurve

Zuma hat im Wahlkampf offen verkündet, man werde die Verfassung Südafrikas in einigen Punkten ändern und benötige daher eine klare Zweidrittelmehrheit. Er erwägt sogar, die Befugnisse des Verfassungsgerichts zu beschneiden, denn auch diese Richter seien „keine Götter“.

Kein Zweifel, aus dem Kuhhirten ist etwas geworden. Die Frage ist, was unter ihm aus Südafrika wird. Zuma, der selbst nie ein Kommunist war, muss seine Steigbügelhalter in der KP bremsen. Eine leichte Linkskurve könnte Südafrika sogar guttun, wenn damit Massenarmut und 45Prozent Arbeitslosigkeit gelindert und gleichzeitig der Nährboden der Kriminalität ausgetrocknet würde.

Zuma würde dann Südafrikas Lula anstatt Chávez. Wenn nicht, dann hätten diejenigen recht, die sich jetzt schon zuraunen: Wenn der Schiedsrichter das Endspiel der WM am 11.Juli 2010 abpfeift, geht es am Kap nur noch bergab.

Jacob Zuma (*12.April 1942) ist seit Dezember 2007 Chef des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) und vor den am Mittwoch stattfindenden Wahlen in Südafrika klarer Favorit für das Präsidentenamt. Er gehört dem Volk der Zulu an und wuchs in Armut auf. Während der Apartheid-Zeit war er zehn Jahre Häftling auf Robben Island. Später war er Geheimdienstchef des ANC und Vizepräsident, bevor er wegen Korruption 2005 seines Amtes enthoben wurde. Er kehrte zurück und stürzte Mbeki als ANC-Chef. Der Polygamist hat 18 Kinder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2009)

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