Die Angst vor dem großen Funkloch

Alejandro Plater
Alejandro Plater(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Maximale Nervosität in der Telekom Austria: Diverse Großkunden haben A1 entweder schon den Rücken gekehrt – oder ziehen das immerhin in Erwägung. Die Telekom wittert eine große Intrige.

Die Sache ist einigermaßen heikel. Also greift Telekom-Chef Alejandro Plater persönlich zum Telefon, um der „Presse“ Rede und Antwort zu stehen. Seine Aussagen sind allerdings keine große Überraschung: „Ich bin mit der Entwicklung sehr zufrieden“, sagt er. Wiewohl „man natürlich immer daran arbeiten muss, Qualität und Service zu verbessern“. Trotzdem: „Wir haben heuer ein Plus von fünf Prozent bei Unternehmenskunden.“
Das ist höchst erfreulich für Alejandro Plater. Dass er aber so versessen darauf ist, die Frohbotschaft nach außen zu tragen, ist natürlich kein Zufall. Vielmehr ist es so, dass er dem kommenden Jahr mit einer gewissen Sorge entgegenblicken muss. Denn just der Bereich Unternehmenskunden, der sich 2015 so erfreulich entwickelt haben will, bereitet Kopfzerbrechen. So wie es derzeit aussieht, könnten einige A1-Großkunden in absehbarer Zeit verloren gehen. Höchst prominente Großkunden, wohlgemerkt.

Bei der Fluggesellschaft AUA ist das bereits passiert. Zu Jahresbeginn hat das Unternehmen – konzertiert mit dem Mutterkonzern Lufthansa – den Vertrag für den Mobilfunk neu ausgeschrieben. Die Sache ist für den langjährigen Vertragspartner A1 eher nicht so gut ausgegangen: Den Zuschlag bekam T-Mobile. Seit 1. April telefonieren also rund 1400 AUA-Mitarbeiter mit der Vorwahl 0676.
Warum, kann man sich ausmalen. „Wir sind hart am Kostensenken“, sagt ein AUA-Sprecher. „Wenn wir gleiche Qualität zu niedrigeren Preisen bekommen, dann ist das natürlich ein Argument.“

Trotzdem wurde die Angelegenheit seinerzeit in der Telekom-Chefetage bloß mit einem Achselzucken quittiert. Im Telekom-Aufsichtsrat gab es hingegen helle Aufregung. Tenor: Jeder verlorene Großkunde bedeutet für den Konzern einen enormen Imageverlust – vom Umsatzentgang ganz zu schweigen. Der Aufsichtsrat hat sich damals jedenfalls ausbedungen: In Hinkunft müsse jeder Verlust eines Großkunden dem Kontrollgremium gemeldet werden. Da dürfte es demnächst reichlich Gesprächsstoff geben. Denn die AUA könnte bloß der Anfang einer für die Telekom unerfreulichen Entwicklung sein.

Der staatliche Straßenbaukonzern Asfinag beispielsweise testet gerade SIM-Karten von T-Mobile. Asfinag-Vorstand Klaus Schierhackl: „Wir sind grundsätzlich zufrieden mit A1. Wenn aber andere einen besseren Vertrag anbieten, dann schauen wir uns das natürlich an.“ Das „Anschauen“ könnte A1 empfindlich treffen, immerhin geht es um die Mobiltelefonie von rund 2700 Asfinag-Mitarbeitern.
Auch die staatlichen Bundesbahnen fühlen sich offenbar nicht an A1 gebunden: Anfang 2016 wird ein neuer Liefervertrag für den Mobilfunk ausgeschrieben. Und ÖBB-Chef Christian Kern sagt: „Wir haben eine gute Partnerschaft mit A1. Aber unsere Prämisse lautet: Kosten senken. Die Ausschreibung ist also ein offenes Rennen.“

Zwei große Staatsunternehmen, beide langjährige Telekom-Kunden, die einen „Seitensprung“ zumindest ernsthaft in Betracht ziehen – das ist so etwas wie ein Sakrileg. Ob so etwas unter einer voll verstaatlichten Telekom Austria denkbar gewesen wäre?
Auch egal, das ist ohnehin Schnee von gestern – die Telekom ist längst ein mehrheitlich privates, börsenotiertes Unternehmen. Und bei den A1-Kunden der Jetztzeit zählen natürlich ausschließlich Qualität und Kosten.

Telekom-Chef Plater ist daher auch sehr bemüht, qualitative Bedenken aus der Welt zu schaffen. Er verweist auf „eine halbe Milliarde Euro, die wir in die Infrastruktur investieren“. Und vorsichtshalber wird neuerdings emsig mit dem Netztest von „Futurezone“ geworben. Das Internetportal für Nachrichten aus dem Bereich IT und Telekommunikation hat unlängst A1 zum besten Handynetz des Jahres 2015 gekürt.
Den wahren Maßstab für Netzqualität bietet freilich der alljährliche Connect-Netztest für Deutschland, Schweiz und Österreich. Und da sieht die Sache anders aus: A1 musste nach zwei Jahren den ersten Platz an „3“ abgeben. Schaffte aber immerhin Rang zwei.
Auch nicht schlecht, doch bei der Telekom grassiert maximale Nervosität. Die ÖBB gehören zu ihren wichtigsten Businesskunden. Gemeinsam mit der Asfinag drohen Umsätze in zweistelliger Millionenhöhe verloren zu gehen.
Vorsichtshalber werden also potenziell abtrünnige Großkunden von der A1-Geschäftsführung persönlich kontaktiert. Mit der Frage, ob sie unzufrieden sind. Oder gar Wünsche haben? Verbesserungsvorschläge? Fehlanzeige: Bei den Telefonaten dreht es sich vielmehr um Verschwörungstheorien: Die Telekom hegt den Verdacht, dass ihre neue Eigentümerstruktur eine Rolle bei den plötzlichen Abwanderungstendenzen spielt. Denn das Unternehmen gehört ja mittlerweile mehrheitlich dem mexikanischen Konzern América Móvil.

Die angesprochenen Kunden dementieren empört. Wobei fairerweise gesagt werden muss: Sämtliche Konzerne, die sich plötzlich nicht mehr an A1 gebunden fühlen, ressortieren zum SPÖ-Infrastrukturministerium von Alois Stöger. Jenem Minister, der den Einstieg der Mexikaner bei der Telekom gern lautstark kritisiert.
Zufall oder nicht: Auch seitens der Post (Zuständigkeit Stöger) gibt es Ungemach für A1: Anfang 2014 wurden rund 9000 SIM-Karten für die Handheld-Geräte der Postbeamten von „3“ bezogen. Jetzt gab es eine neuerliche Ausschreibung. T-Mobile bekam den Zuschlag.
Post-Chef Georg Pölzl wollte dem Vernehmen nach noch weiter gehen: Er wollte die Post zum virtuellen Netzbetreiber machen. Solche MVNO (Mobile Virtual Network Operator) haben kein eigenes Mobilfunknetz, sondern nutzen das eines anderen Betreibers. Pölzl hatte dazu T-Mobile auserkoren.

Es wurde nichts daraus. „Ein MVNO ist aktuell kein Thema“, sagt Pölzls Sprecher knapp. Angeblich wurde das Projekt nach Intervention der Betriebsräte abgedreht. Wäre ja noch schöner, wenn die einst zusammengehört habenden und nach wie vor partnerschaftlich verbundenen Unternehmen Post und Telekom getrennte Wege gingen. Erst kürzlich wurde der Handyvertrag der Post mit A1 also für mehrere Jahre festgezurrt.
Alejandro Plater kann sich also freuen. Dass die Handheld-Geräte der Postbeamten SIM-Karten von T-Mobile bekommen, ficht ihn nicht an. Sagt er zumindest. Zitat: „Der Auftrag ist von einem unserer Mitbewerber an einen anderen gegangen. Wir haben da also keinen Großkunden verloren.“
So kann man es natürlich auch sehen. Bei der Ausschreibung hatte A1 selbstverständlich mitgeboten.

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