Kurz will wählen, Kern regieren

Sebastian Kurz
Sebastian KurzAPA/HANS KLAUS TECHT
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Die ÖVP will eine geordnete Beendigung der Regierung, die SPÖ ist sehr verärgert und will mit wechselnden Mehrheiten vorerst weiterregieren.

Sebastian Kurz hat eine Richtungsentscheidung getroffen: Die ÖVP will Neuwahlen, falls er am Sonntag die Partei übernimmt. Doch die SPÖ will zumindest vorerst nicht mitgehen. Auf dem Weg zu Neuwahlen liegen einige Stolpersteine, die Auflösung des Nationalrats könnte sich zumindest verzögern. Das liegt in den Interessen der einzelnen Parteien begründet:

Das Lieblingsszenario von Sebastian Kurz würde so aussehen: Die Regierung beschließt im Einvernehmen Neuwahlen, setzt noch einige Vorhaben um und macht im September einen kurzen Wahlkampf. Doch da macht die SPÖ nicht mit, widersetzt sich Neuwahlen und bringt die ÖVP damit unter Zugzwang: Soll sie allein einen Neuwahlantrag einbringen? Vielleicht die Regierung verlassen?

Theoretisch gäbe es eine breite Mehrheit für Neuwahlen, da auch FPÖ, Grüne und Neos dafür sind. Ob dann tatsächlich einem Neuwahlantrag zugestimmt wird, ist eine andere Frage. Die Grünen wollen den Eurofighter-Untersuchungsausschuss retten und erst Ende Juni das Parlament auflösen. Doch so lange wird Kurz nicht warten wollen. Eine Hürde kann schon sein, den Antrag durch den zuständigen Verfassungsausschuss zu bringen, wo die ÖVP die Zustimmung der FPÖ und zumindest der Neos bräuchte. Sollten Neuwahlen vorerst abgelehnt werden, müsste die ÖVP wohl die Regierung verlassen. Aber dann würde Kurz auch die Bühne als Außenminister verlieren.

„Wir wollen kein Neuwahlen“, sagt Bundeskanzler Christian Kern der „Presse“. „Wir werden weiter versuchen, im Parlament sachpolitische Lösungen zu erzielen – und das auch falls nötig mit wechselnden Mehrheiten.“ Und: „Wenn uns die ÖVP den Stuhl vor die Tür stellt, bedeutet auch das Ende für eine rot-schwarze Zusammenarbeit für sehr lange Zeit.“ Er, Kern verlange jedenfalls eine Entschuldigung von Kurz und der ÖVP: Er sei der Unehrlichkeit bezichtigt worden, das lasse er sich nicht bieten.

Das Regieren mit wechselnden Mehrheiten im Parlament, das Kern vorerst anstrebt, stünde auf tönernen Beinen. Zwar haben alle anderen Parteien Interesse daran, in Sachthemen Allianzen zu bilden, eine längerfristige Duldung eines Kern-Kabinetts zeichnet sich nicht ab, Kern stellt sich auch auf Neuwahlen ein. Der Versuch war in der SPÖ auch nicht unumstritten: Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl hat schon erklärt, nichts davon zu halten. Und auch den Bundespräsidenten gälte es zu überzeugen. Der soll der Idee einer Minderheitsregierung skeptisch gegenüber stehen, hört man aus seinem Umfeld.

Die FPÖ plädiert für baldige Neuwahlen. Dies sei die „sauberste Lösung“, sagt Generalsekretär Herbert Kickl. Auf den von den Freiheitlichen selbst beantragten Untersuchungsausschuss würden sie dabei wohl keine Rücksicht nehmen und einer sofortigen Auflösung des Parlaments zustimmen. Ein Hinauszögern des Beschlusses würde niemand verstehen, heißt es aus der Partei.

Die Grünen werden einem Neuwahlantrag zustimmen, dies aber erst Ende Juni. Bis dahin soll der Eurofighter-Untersuchungsausschuss sein erstes Kapitel, die Vergleichsverhandlungen, abschließen. Auch Sachthemen wie die Bildungsreform und das Ökostromgesetz will Eva Glawischnig mit der SPÖ umsetzen, die am Freitag bei Kern war. Auf den Wahltermin hätte ein späterer Neuwahlbeschluss keine Auswirkung: Eine Wahl Ende September wäre vom Fristenlauf immer noch möglich.

Die Neos wollen mit der SPÖ Sachthemen umsetzen und haben Kanzler Kern eine Liste mit 13 Anliegen vorgelegt. Prinzipiell ist Parteichef Matthias Strolz für Neuwahlen, ob er schon nächste Woche zustimmen wird, lässt er aber noch offen – und könnte so zum Zünglein an der Waage werden.

Das Team Stronach hat sich als einzige Partei neben der SPÖ gegen Neuwahlen ausgesprochen. Die Partei, der nur geringe Chancen auf einen Wiedereinzug ins Parlament zugebilligt werden, ist aber erfreut, beim „freien Spiel der Kräfte“ mitzuspielen.


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