Kennen Sie Dvořák? Sagen Sie nicht vorschnell Ja . . .

Archivbild von Simona Šaturová.
Archivbild von Simona Šaturová.(c) imago/CTK Photo (Igor Zehl)
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Heute wären unter Tomáš Netopil im Konzerthaus eine Symphonie und das mitreißende „Te Deum“ zu entdecken.

Antonín Dvořák gehört zu jenen Meistern, deren Musik in den Konzertsälen – weniger in den Opernhäusern – omnipräsent ist. Allerdings beschränkt sich unsere diesbezügliches Verwöhntheit auf einige, ganz wenige Titel. Von den neun Symphonien hört man die „Neue Welt“ und ihre originelle Vorgängerin ununterbrochen, die Siebente hie und da. Aber schon die Nummer sechs ist ein Rarissimum, obwohl sie ein melodienreiches und mit einem veritablen slawischen Tanz als Scherzo angereichertes Meisterwerk ist.

Es stimmt, das Vorbild Brahms lugt allenthalben um die Ecke (das Finale hebt wie eine Paraphrase auf das Gegenstück in dessen Zweiter an), und Dvořáks Erfindungsreichtum in formaler Hinsicht scheint gebremst, nach der wagemutigeren Fünften wieder allzu sehr im Bann klassischer Vorbilder. Aber doch: Wenn ein talentierter Dirigent wie Tomáš Netopil – man kennt ihn gut aus der Staatsoper, wenn auch seine Biographie das erstaunlicherweise verschweigt – die Symphoniker anfeuert, dann kommen die Schönheiten dieser Musik voll zur Entfaltung.

Der Elan, mit dem die Musiker am Freitag im bestens angenommenen Format „Fridays@7“ ans Werk gingen, nützte vor den „Interventionen“ der Singakademie beim kulinarischen Nachspiel im Konzerthaus-Foyer auch dem „Te Deum“. Das schrieb Dvořák eigentlich nur als Ersatzvornahme für sein Antrittskonzert in New York 1892, weil der Text für die Huldigungskantate „The American Flag“ nicht rechtzeitig vor seiner Überfahrt in Europa ankam. Und doch: was für eine Eruption von einem freudigen, vertrauensvollen Gotteslob; und welche handwerkliche Sicherheit in der Präsentation und Verarbeitung der genialen Einfälle. Zum Zeitpunkt dieser Komposition war dem böhmischen Musikanten schon der Knopf aufgegangen, da entstehen starke formale Verbindungen schon gleichsam improvisatorisch aus den immer neuen Varianten des melodischen Materials.

Allein die Vorbereitung der Wiederkehr des Pauken-und-Trompeten-Beginns ist virtuos, zu schweigen von den bewegenden lyrischen, ahnungsvollen Gebeten um Erlösung im Zentrum, denen der gradlinig bewegliche Sopran von Simona Šaturová und der machtvolle Bassbariton Adam Plachetkas den rechten Ausdruck verliehen.


Romantik und Gottvertrauen. Dazu die kraftvoll attackierende Singakademie, von Heinz Ferlesch gewohnt gut vorbereitet, und die Symphoniker in gelöster Spiellaune – da lohnt sich die Entdeckungsreise in den großen Konzerthaussaal: Heute, Sonntag, stehen die beiden Stücke noch einmal auf dem Programm, einbegleitet von der „Tragischen Ouvertüre“ aus der Feder von Dvořáks Förderer Brahms – und (ab 18 Uhr im Schubertsaal) einem Dialog zwischen dem tschechischen Musikologen und Komponisten Aleš Březina und dem Konzerthaus-Dramaturgen Erwin Barta zum Thema: „Gott, Liebe, Heimat! Das allein führt zu einem glücklichen Ende – Antonín Dvořák im Kontext seiner Zeit“.

Wer also hören möchte, was es neben den Dvořák'schen Dauerbrennern noch zu entdecken gibt, und dazu erfahren will, wie sich bei diesem Zeitgenossen Wagners und Nietzsches Glaubensgewissheit auf romantische Empfindsamkeit reimen konnte, sollte sich um Restkarten bemühen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2017)

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