„Solange der Rubel rollt...“ Geschäftemachen in Despotien

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Wenn Außenminister Spindelegger zu Investitionen in Zentralasien rät, sollte er den Geschäftsleuten auch gleich dazusagen, was diese dort so alles erwarten könnte.

Leitartikel

Ja, da geraten Österreichs Politiker immer ins Schwärmen und Frohlocken, wenn sich in Wien oder sonstwo im Lande internationale politische und Managerprominenz trifft. So wie jetzt wieder, da sich eine Regionalkonferenz des Weltwirtschaftsforums in der Hofburg den Beziehungen Europas zur Schwarzmeer-, Kaukasusregion und zu Zentralasien widmet.

Österreich müsse zur „Schnittstelle zwischen Europa und dem eurasischen Raum werden“, fordert Außenminister Michael Spindelegger. „Gemeinsam mit der Politik wollen wir Österreich als Drehscheibe für Regional- und Wirtschaftspolitik bis hin nach Zentralasien positionieren“, holt Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl noch weiter aus. Leitl ist es schon gewesen, der Spindelegger vor ein paar Jahren eingeredet hat, die Schwarzmeerregion zu einem Schwerpunkt der österreichischen Außenpolitik zu machen. Und vom wirtschaftlichen Standpunkt aus gesehen hat das ja auch durchaus Sinn.

Auch ist überhaupt nichts dagegen zu sagen, dass die Außen- und Wirtschaftspolitik eines Landes Hand in Hand gehen. Wer da puristisch argumentieren will, Außenpolitik müsse unabhängig von ökonomischen Überlegungen gestaltet werden, der schaue sich nur die Beispiele USA, China, Russland oder auch Deutschland an. Selbstverständlich ist da Außenpolitik im Wesentlichen auch Außenwirtschaftspolitik. Und selbstverständlich darf und soll das auch im Fall Österreich so sein.

Das Problem ist ein anderes. Wirtschaftstreibende – bei Weitem nicht alle freilich – drücken gern eines oder beide Augen zu, wenn es um Geschäfte in despotisch regierten Ländern geht. Solange „der Rubel rollt“, hüllt man sich in Schweigen über Korruption, mit Füßen getretene Menschenrechte, schlechte Regierungsführung. Nein, es geht da nicht wieder nur um Russland – China ist das viel markantere Beispiel.

Schwer irritiert und verblüfft sind die westlichen Investoren und Geschäftemacher dann nur, wenn in den scheinbar so stabilen, aber autokratisch oder gar diktatorisch regierten Ländern „etwas passiert“; wenn sich die Volkswut wegen jahre- oder jahrzehntelanger Knechtschaft Luft macht und die Machthaber zum Teufel gejagt werden. „Aber denen ging es unter Ben Ali und Mubarak, unter Gaddafi und al-Assad doch eh so gut“, hört man in Nordafrika oder im Nahen Osten tätige Wirtschaftsleute gern sagen. Klar, wenn ich in einem Land bin, um Geschäfte zu machen, möchte ich Geld verdienen und nicht soziologische Studien über mögliche gesellschaftliche Herausforderungen des dort herrschenden Regimes anstellen.

Das bringt uns zurück zur Außenpolitik und zur derzeitigen WEF-Regionalkonferenz in der Hofburg. Auch wenn die Außenpolitik die außenwirtschaftlichen Aktivitäten fördern soll, so sollte sie die Wirtschaftsleute doch gleichzeitig auch eindringlich vor möglichen Gefahren bei ihrem Engagement in bestimmten Ländern und Regionen warnen.

Zentralasien ist eine solche Gefahrenregion. Österreichische Firmen zu Investitionen in Zentralasien aufzurufen, wie es Spindelegger getan hat, ohne gleichzeitig auf die mehr oder weniger prekäre innenpolitische Lage in diesen fünf Staaten aufmerksam zu machen, ist grob fahrlässig.

Usbekistan und Turkmenistan sind von „Freedom House“ gerade unter die „neun schlechtesten der schlechten Länder der Welt“ gereiht worden, was den Missbrauch der Menschenrechte betrifft. Wie diese beiden Länder sind auch Kasachstan und Tadschikistan Despotien mit Langzeitherrschern, in denen die Opposition mehr oder weniger scharf unterdrückt wird. Einzig Kirgisistan wagt demokratische Experimente. Und was das leichte Geschäftemachen betrifft: Man frage einmal deutsche Unternehmer, die sich jüngst an dem Bau eines Palasts in Taschkent beteiligt haben, wie es ihnen dort so ergangen ist.

Noch gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass ein Arabischer Frühling auch in Zentralasien anbrechen könnte. Aber auch im Klima der dortigen Despotien heizt sich die Volkswut seit Langem auf. Die Frage ist der Zeitpunkt, wann sie gewaltsam ausbrechen wird. Auch das muss Spindelegger österreichischen Investoren sagen. Seiten 1 bis as4

E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.06.2011)

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