SuperMarkt: Wohlstand ohne Wachstum

SuperMarkt Wohlstand ohne Wachstum
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Natürlich geht es auch ohne Wirtschaftswachstum. Die Menschheit steht kurz davor, sich einen jahrtausende alten Traum zu erfüllen: Endlich wird ein gutes Leben auch ohne harte Arbeit möglich sein.

Zugegeben, die aktuelle Nachrichtenlage bietet kaum Gründe, um früh am Morgen mit einem vergnügten Liedchen auf den Lippen aus den Federn zu hüpfen und gleich einmal die ganze Welt zu umarmen. Bei den Wahlen in Griechenland werden nach 380 Milliarden Euro schweren Finanzhilfen jene Parteien mit einer überwältigenden Mehrheit ausgestattet, die den Rest der EU dazu nötigen wollen, das Land dauerhaft zu subventionieren. Während sich in den Geberländern die Überzeugung durchzusetzen scheint, dass Griechenland durch den aufgezwungenen Sparkurs in den Ruin getrieben wird – und nicht durch völlig überzogene Ausgaben öffentlicher und privater griechischer Haushalte.

Erfreulicher ist da schon die Botschaft, die hochkarätige Ökonomen und Politiker seit Wochen absetzen: Kürzungen in überschuldeten Staatshaushalten sind nicht unumgänglich. Es gibt eine echte Alternative, und die heißt Wachstum. Noch besser: Die Annahme, dass ein materiell weitgehend sorgenfreies Leben nur mit harter Arbeit und dauerhafter Wertschöpfung zu erreichen sei, ist eine böse Erzählung aus kapitalistischen Urzeiten. Wohlstand für alle ist nämlich möglich, ohne dass dem Götzen Wachstum tagtäglich ein hohes Arbeitsopfer darzubringen wäre. Womit ein Traum in Erfüllung zu gehen scheint, der die Menschheit seit Beginn ihrer Existenz begleitet.

Künftig muss kein „Mehrwert“ mehr geschaffen werden, damit Jobs dauerhaft sicher sind und der Staat über höhere Einnahmen die wachsenden Ansprüche einer alternden Gesellschaft stillen und den Sozialstaat finanzierbar halten kann. Niemand muss mehr bis zum Erreichen des 58. Lebensjahres schuften, um durchschnittlich 20 Jahre lang eine Pension überwiesen zu bekommen. Die beste Lebenszeit am Arbeitsplatz abzusitzen, scheint sich dieser Tage überhaupt als ganz großer Irrweg zu entpuppen.


Deutschland lenkt ein. Wer das alles für populistisch und zynisch hält, liegt nicht ganz falsch. Genauso sieht aber das Konzept aus, das Europas Führung zur Lösung der Schuldenkrise einsetzt. Der Quell des neuen Wohlstands liegt nun offiziell in Frankfurt am Main. Tief in den Kellern der Europäischen Zentralbank sprudeln jene Milliarden aus dem Boden, die Europas Bürgern alle unerwünschten Korrekturen gelebter Gewohnheiten ersparen und die kühnsten staatlichen Konjunkturprogramme möglich machen. Die Löcher in den Haushalten werden einfach mit gedruckten EZB-Geldern gestopft.

Unglücklicherweise führen stark wachsende Geldmengen bei gleichzeitig schwacher Wirtschaftsleistung zwar zu einem fortschreitenden Kaufkraftverlust. Vergangenen Donnerstag ließ aber selbst die Deutsche Bundesbank durchblicken, dass eine schnellere Entwertung des Geldes akzeptabel sei. Womit die letzte Hüterin der Geldwertstabilität ihren Widerstand aufgibt. Was wiederum die Herausgeber des britischen Wirtschaftsmagazins „The Economist“ freuen wird. Erst unlängst hat die Hausbibel der Staatskeynesianer Deutschland aufgefordert, sich endlich zu entspannen und eine höhere (Preis-)Inflation zuzulassen. Denn nur so könne die Eurozone überleben. Wer es gerne etwas klarer hätte: Das Überleben der Eurozone ist also nur mit einer fortschreitenden Entwertung von Vermögen und Einkommen zu schaffen.

Das ist bemerkenswert.Schon deshalb, weil die Idee hinter der Währungsunion ja weniger jene war, Vermögenswerte und Einkommen flott zu entwerten. Ganz im Gegenteil, und das aus gutem Grund: Eine rasche Entwertung des Geldes trifft vor allem jene, die besonders wenig davon haben.


Harte Zeiten, lockere Geldpolitik. Gut, nun könnte man argumentieren, dass besondere Zeiten besondere Mittel erfordern. Nur ist aus der Geschichte der Menschheit leider kein Beispiel bekannt, dass finanziell angeschlagene Staaten ihren Bürgern über das Drucken von Geld dauerhaft zu einem guten Leben verhelfen konnten. Experimente dieser Art endeten ausnahmslos verheerend. Nicht zuletzt deshalb, weil hoher Wohlstand nicht die Folge hoher Staatsausgaben ist – bestenfalls umgekehrt, solange sich produktive Bürger bereitwillig ihre Taschen leeren lassen.

Natürlich geht es auch ohne Wirtschaftswachstum. Etwa dann, wenn die Bevölkerung bereit ist, ihre Ansprüche an den umverteilenden Sozialstaat zurückzuschrauben. Wer allerdings der Meinung sein sollte, dass eine älter werdende Gesellschaft den gewohnten Lebensstandard zumindest halten soll, wird Wirtschaftswachstum als Grundbedingung begreifen. Nicht jenes, das künstlich von Staatshand und Notenpresse geschaffen wird. Sondern jenes, das reale Nachfrage kennt, die von produktiven Arbeitnehmern und Unternehmern gestillt wird.

Stabiler Wohlstand ohne produktives Wachstum gibt es nämlich nur in der keynesianischen Märchenstunde. Schade, eigentlich.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.05.2012)


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