Gesundheit - n.b.: Teures Chaos

DACHGLEICHE KRANKENHAUS NORD:
DACHGLEICHE KRANKENHAUS NORD:APA/HERBERT PFARRHOFER
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Spitäler. Für ein Urteil über die Gesundheitsreform ist es zu früh. Ihr Gelingen hängt am Willen der Landeshauptleute.

Ein Krankenhausbett", hat der 1977 verstorbene Komiker Groucho Marx einmal gesagt, „ist ein parkendes Taxi mit laufendem Taxameter". Und genau dort, im Spital, beginnt das Problem des heimischen Gesundheitswesens. Die gute Nachricht lautet: Man hat es erkannt und eine Systemreform eingeleitet. Die schlechte: Ob die Theorie praxistauglich ist, also am Ende nicht doch an unterschiedlichen politischen Interessen scheitert, wird sich erst weisen. Wäre das Ziel der Gesundheitsreform die Matura, dann hätte sie gerade erst die Volksschule absolviert.

Das Krankenhaus also. Die Dichte an Spitalsbetten ist in Österreich mit 7,7 pro 1000 Einwohner überdurchschnittlich hoch, wie die OECD-Studie „Gesundheit auf einen Blick" im November gezeigt hat. International bedeutet das den fünften Platz (siehe Grafik). Und dieses Angebot schafft sozusagen Nachfrage: 273 stationäre Aufenthalte pro 1000 Einwohner sind weltweit der höchste Wert. Mit Abstand.

Daneben sind auch die Ambulanzen überfüllt. In keinem anderen Land lassen sich so viele Patienten gleich im Spital behandeln, also ohne davor einen niedergelassenen Arzt aufgesucht zu haben. Viele Ambulanzpatienten haben Migrationshintergrund und/oder eine schlechte Schulbildung, wie das Zentrum für Öffentliche Gesundheit der Med-Uni Wien heuer in einer Studie festgestellt hat. Das zeigt nur, dass der Zugang ins Gesundheitssystem entweder unzureichend koordiniert wird - oder die Öffnungszeiten in den Ordinationen nicht patientenfreundlich genug sind. Vermutlich trifft beides zu.

Der Steuerzahler muss büßen

Für den Staatshaushalt hat das fatale Folgen. Denn im niedergelassenen Bereich, in dem weniger Kosten für Personal und medizinische Geräte anfallen, ist dieselbe Leistung deutlich billiger als im Krankenhaus. Die Ökonomin Agnes Streissler hat 2011 im Auftrag der Ärztekammer errechnet, dass ein Ambulanzbesuch im Schnitt 89 Euro kostet. Das Honorar eines niedergelassenen Arztes beträgt hingegen nur knapp 50 Euro. Ausgehend von jenen Fällen, die man nicht im Spital hätte behandeln müssen, ergab Streisslers Hochrechnung ein Einsparungspotenzial von 335 Millionen Euro pro Jahr. Mindestens.

Neben den fehlgeleiteten Patientenströmen haben auch die demografische Entwicklung und der medizinische Fortschritt (wir werden immer älter) dazu beigetragen, dass die Gesundheistausgaben in den vergangenen drei Jahrzehnten stärker gestiegen sind als das BIP. Der finanzielle Kollaps schien nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

Diesem Kostendruck ist es zu verdanken, dass die Systemverwalter, also Bund, Länder und Sozialversicherungen, eine Reform nicht mehr länger hinauszögern konnten. Der Pakt wurde 2012 unterzeichnet, er sieht ein partnerschaftliches Modell vor, in dem Länder und Kassen nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander arbeiten und die Vorgaben des Bundes nicht ignorieren. Das Ziel sind neue Vorrangregeln: Wenn es nicht notwendig ist, soll der Patient zuerst beim Hausarzt vorstellig werden und nicht im Spital.

In einem ersten Schritt, ab 2015, wird die Primärversorgung neu organisiert. Der Allgemeinmediziner, in der Regel ein Einzelkämpfer, wird in ein Netzwerk mit Fachärzten, Pflegern, Therapeuten und anderen Gesundheitsdienstleistern eingebettet, damit der Patient außerhalb des Spitals ein möglichst umfassendes und zeitlich flexibleres Behandlungsangebot vorfindet. Sprich: Gruppenpraxen, die auch abends und am Wochenende geöffnet haben.
Geht die Strategie auf, könnten einige Krankenhäuser bald obsolet werden - sofern sie das nicht ohnehin schon sind. Unabhängige Gesundheitsexperten sind sich einig, dass sich Österreich seine hohe Spitalsdichte nicht länger leisten sollte. Und kann.

Doch für die Landeshauptleute sind die Krankenhäuser mit den vielen Arbeitsplätzen, die sie zu bieten haben, ein Machtfaktor. Dementsprechend endeten die gesundheitspolitischen Planungen meist an den Landesgrenzen. Ob die Reform gelingt, wird sich daher erst entlang der Frage entscheiden, ob die Länder bereit sind, ihre Hoheitsgebiete zugunsten eines größeren Ganzen aufzugeben.

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