Wie es mit der Ungleichheit weitergeht

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Alterung, Migration, Gentechnik: Alles spricht für die weiter steigende Konzentration der Vermögen. Steuern und Bildung können den Trend in Europa nur noch wenig dämpfen.

Sag niemals nie. Walter Scheidel blickt in „The Great Leveler“ weit in die Geschichte zurück, aber die Zukunft kann er nicht voraussagen. Feststeht: Für die auf dem Markt erzielten Einkommen steigt fast überall der Gini-Koeffizient, die übliche Messgröße für Ungleichheit. Nach Steuern und Transfers, also staatlicher Umverteilung, bleibt er in Deutschland seit zehn Jahren stabil (vor allem, weil es weniger Arbeitslose gibt). In Österreich geht er nur leicht nach oben.

Dennoch steigt der Druck. Wie reagieren? Der klassische Reflex: hinauf mit den Steuern. Aber Scheidel wendet ein: „Die Schicht, bei der am meisten zu holen wäre, ist auch die mobilste.“ Bei einer noch progressiveren Einkommensteuer oder einer hohen Erbschaftssteuer „wandern die Superreichen ab“ – oder zumindest ihr Kapital. Dafür sorge schon der Wettbewerb zwischen den Staaten. Ein global koordiniertes Vorgehen hält der Historiker für „Fantasie“. Und wie sieht es mit besserer Bildung für alle aus? Dass Chancengleichheit segensreich wirkt, ist unbestritten. Wo es damit im Argen liegt, wie in den USA und Lateinamerika, sieht Scheidel noch viel Potenzial. Nicht aber in Europa: „Wo schon so viele auf die Uni gehen, kommt man an ein Limit.“

Für Revolutionen zu alt. Aber sorgt die Schere zwischen Arm und Reich (oder besser: zwischen Normal und Superreich) nicht für Unmut, der sich irgendwann gewaltsam entlädt? Der Blick auf die Geschichte hilft da wenig weiter: „Manchmal führte Ungleichheit zu Konflikten, manchmal nicht. Es gibt keine Systematik, das macht die Prognose so unsicher.“ Von den vier apokalyptischen Reitern scheinen drei vom Pferd gefallen: Seuchen hat die moderne Medizin weitgehend im Griff, einstürzende Weltreiche sind nicht in Sicht, und für Hightech-Kriege muss man keine Massen mehr mobilisieren. Bleibt die Revolution, der Aufstand der kürzer Gekommenen. „Aber bei hohen Staatsquoten ist jeder in die Gesellschaft eingebunden, das macht Widerstand fast unmöglich.“ Auch würden die Menschen „immer friedfertiger“. Dafür sorge schon die Alterung der Gesellschaft – Senioren sind, zumindest physisch, weniger aggressiv als Junge. Zudem zeigen Studien, dass durch die starke Migration die Bereitschaft zur Umverteilung sinkt. Denn die Ärmeren, die von ihr am meisten profitieren, sind dann oft Ausländer.

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