Welchen Weg sollen die Alpbacher College-Tage beschreiten? Die Weichenstellungen wurden oft mühsam und mit Krämpfen vorgenommen. Am Schluss siegte doch die Einigkeit als oberstes Prinzip.
The Spirit of Alpbach kann mit dem Bemühen der College-Gäste um die bestmöglichen Lösungen gleichgesetzt werden. Durch Einigkeit zum Ziel, so das Motto. Aber es ging in der nunmehr 69-jährigen Geschichte der Kongresstage auch anders: Unterschiedliche Ansichten um Ausrichtung, Gestaltung und Zielsetzungen führten zu Parteiungen und - ja: auch zu kleinen Revolutionen.
Einige Tage nach Beendigung der Tagung 1949 - die meisten Teilnehmer waren noch im Ort - „entlud sich die Auseinandersetzung mit einem ,Putsch‘, der die kleine Collegerepublik Alpbach 24 Stunden lang erschütterte". Diese Bestandsaufnahme schrieb College-Gründer Otto Molden selbst in seinem Buch „Der andere Zauberberg. Das Phänomen Alpbach" (Molden-Verlag, 1981). Ein junger Mitarbeiter Moldens, übrigens der spätere Alpbach-Präsident Heinrich Pfusterschmid-Hardtenstein, wurde in seinem Zimmer eingesperrt, er flüchtete durch das Fenster. Molden selbst rief seine Anhänger noch in derselben Nacht zu einer Krisensitzung zusammen.
Wissenschaft versus Politik
Bei der Auseinandersetzung ging es um die Konzeption des Forums. Der zweite Alpbach-Gründer, Simon Moser, hatte von Beginn an eine „Bergakademie für Geist und Sport" angepeilt, Molden lenkte die Forums-Tage in Richtung Politik und Wirtschaft. Am Tag darauf konnte dann ein Kompromiss erzielt werden: Aus den ursprünglichen „Internationalen Hochschulwochen" wurde nun das „Europäische Forum Alpbach", der Innsbrucker Philosophiedozent Simon Moser übernahm in diesem Forum den neu konzipierten und erweiterten wissenschaftlichen Sektor.
1960 legte Otto Molden die Präsidentschaft zurück, da er die Europäische föderalistische Partei Österreichs gegründet hatte und dieser vorstand. Es folgte 1960 der langjährige Generalsekretär des College, Alexander Auer, und 1964 der Wiener Bankdirektor Felix Pronay. 1970 ging als Krisenjahr in die Alpbach-Geschichte ein. Die College-Schulden konnten nicht mehr verschwiegen werden, nach neuerlichen Auseinandersetzungen über die Ausrichtung konnte man sich für die Alpbach-Tage auf kein Generalthema einigen. Um die Situation zu beruhigen, rief man Molden zurück an die Collegespitze.
Vranitzky schaltet sich ein
Der nun wiedergewählte Präsident konnte die Schuldenlast entscheidend vermindern, indem er das College-eigene Veranstaltungszentrum, das Paula-von-Preradović-Haus, an das Land Tirol verkaufte. Zeichen der neuen Einigkeit war die 30-Jahrfeier 1975, bei der das College eine eindrucksvolle Rückschau lieferte. Alle Schulden konnten freilich auch in den Folgejahren nicht abgebaut werden. 1991 forderte die Bundesregierung mit Bundeskanzler Franz Vranitzky an der Spitze eine Erneuerung, immerhin war die Bundesregierung ja auch der größte Subventionsgeber. Da aber war Otto Molden - auch aus gesundheitlichen Gründen - bereits dabei, das Zepter einem Nachfolger zu übergeben: dem um neun Jahre jüngeren Diplomaten Heinrich Pfusterschmid-Hardtenstein, einem Alpbach-Teilnehmer der ersten Jahre. Dieser führte mit Umsicht das College in ruhigere Gewässer, er musste aber den langsam aufflackernden Aufstand der Jungen zur Kenntnis nehmen.
Die jungen College-Besucher, meist Stipendiaten, wollten mitreden. „Die Idee ist in die Jahre gekommen", konstatierte 1997 Erhard Busek, der später selbst das Alpbach-Präsidium übernehmen sollte. Als Wissenschaftsminister (1989-94) hatte Busek dafür gesorgt, dass vor allem aus Osteuropa junge Stipendiaten Alpbach entdeckten. Dazu kamen Studenten, denen von den College-Landesverbänden die Teilnahme ermöglicht wurde. Pfusterschmid-Hardtenstein stellte sich selbst an die Spitze der Erneuerungsbewegung und bezog die „Under-40-Gruppe", die sich in Alpbach gebildet hatte, in die Reformarbeit ein. Ein neuer Anfang war wiederum gesetzt.
Umbrüche gab es auch in den Folgejahren. Putschversuche gehören aber zur College-Geschichte.