Für Johann Frank, Leiter der Direktion für Sicherheitspolitik im Verteidigungsressort, führt kein Weg an einer militärischen Kooperation vorbei.
Die Presse: Rund um die Europäische Union gibt es zahlreiche Krisenherde. Welche Folgen hat das für die EU-Sicherheitspolitik?
Johann Frank: Die sicherheitspolitischen Herausforderungen der EU waren noch nie so groß wie jetzt. Kein Staat in Europa kann diese Herausforderungen im Alleingang bewältigen. Das ist nur in Kooperation und mit einer solidarischen Politik ist das machbar.
Ist die jetzige Zusammenarbeit stark genug?
Man kann das Glas halb voll oder halb leer sehen. Aber wenn man bedenkt, dass die EU-Sicherheitspolitik so wirklich erst seit 1999 besteht, sind viele Grundlagen geschaffen worden - etwa durch gemeinsame Auslandseinsätze. Es ist aber auch klar, dass es eine Intensivierung braucht.
In welchen Bereichen?
Darüber kann man bei den Breakout Sessions in Alpbach reden. Man kann zum Beispiel die EU Battle Groups, die es ja schon gibt, verstärkt nutzen. Es gibt immer wieder Szenarien, wie in der Zentralafrikanischen Republik, wo man sie einsetzen könnte.
Seit ihrem Bestehen sind die EU Battle Groups aber noch nie eingesetzt worden.
Das stimmt, aber der Weg ist der Richtige. Aber man könnte die Zusammenarbeit verstärken und die Battle Groups sukzessive zu einem Nukleus einer europäischen Armee ausweiten. Das darf man sich dann allerdings nicht wie eine supranationale Armee von Brüssel aus vorstellen. Sondern eher wie ein Netzwerk aus verschiedenen Staaten. Jeder Staat muss noch in der Lage sein, die eigenen Hausaufgaben - wie etwa den Katastrophenschutz - zu erfüllen. Aber eine gemeinsame netzartige Struktur ist realistisch.
Also sollen zwar alle Länder ihre eigenen Soldaten ausbilden, aber dann in dieses militärische Netzwerk entsenden.
Genau. Bei dem neutralen Österreich ist es vor allem auch wichtig, dass die Politik bei jedem einzelnen Einsatz entscheiden kann, ob dieser mit der Neutralität vereinbar ist. Einen Automatismus sollte es nicht geben, Weitaus fortschrittlicher kann man bei den Geräten denken: Dort könnte man viel stärker poolen.
Sollen sich einzelne Staaten in diesem europäischen Netzwerk auf bestimmte Kernkompetenzen konzentrieren?
Die europäischen Staaten handhaben das jetzt schon sehr unterschiedlich. Größere Länder wie Deutschland versuchen alle Bereiche abzudecken, Österreich geht eher einen anderen Weg. Das wird man auch bei dem Reformkonzept für das Heer sehen, das gerade herausgearbeitet wird. Man wird sich eher auf besondere Fähigkeiten spezialisieren. Und diese kann man wiederum in der EU einbringen. In Österreich wären das zum Beispiel die Spezialeinsatzkräfte, die spezialisierte Infanterie, die ABC-Abwehr, Logistik oder Militärpolizei.
Österreich bleibt wohl mit dem knappen Budget nichts anderes übrig, als sich auf bestimmte Fähigkeiten zu spezialisieren.
Ja, an verstärkten militärischen Kooperationen führt kein Weg vorbei. In allen Staaten werden die Verteidigungsbudgets gekürzt. Es gibt Studien, die besagen, dass wenn man bei neuen Beschaffungen kooperiert, 30 Prozent der Investitionskosten der Verteidigungsbudgets in Europa sparen könnte. Auf Europa gerechnet wären das sieben Milliarden Euro. Man sollte also zuerst abklären, ob man ein gemeinsames Projekt starten kann. Und erst wenn sich niemand findet, der mitmachen will, soll man es im Alleingang machen.
Passiert das derzeit auch?
Das wurde bereits auf dem Papier entschieden. Jetzt muss es umgesetzt werden. In Österreich kann man aber nicht mehr weiter sparen, weil man die grundlegendsten Sachen eben braucht. Wenn wir ein verlässlicher Partner sein wollen, müssen wir auch investieren.
Das klingt alles plausibel. Aber wann wird man das in Europa in der Praxis umsetzen können?
Der Befund der Gegenwart ist ernüchternd. In Syrien oder Nordirak könnte die EU ohne USA keinen Korridor errichten. Die Frage an die Politik ist: Will Europa das alleine können? Wenn ja, muss man die Voraussetzungen dafür schaffen.
Wie soll das gehen? In der EU gibt es unterschiedlichste Interessen.
Ich glaube schon, dass es funktionieren kann. Es braucht nur einen langen Verhandlungsprozess.
Wann wird Österreich für ein solches Netzwerk bereit sein?
Ich glaube, wir brauchen eine enge Kooperation - wie eine Eurozone der Verteidigung. Wer auch in Zukunft ein Bundesheer möchte, das europäisch zusammenarbeitsfähig ist, muss investieren. Ansonsten verlieren wir den Status als verlässlicher Partner und enden in einer Außenseiterrolle mit allen damit verbunden Nachteilen.
Kann man mit dem sp knappen Budget ein verlässlicher Partner sein?
Wir argumentieren bereits, dass wir ab 2016 mehr Geld brauchen. Hier haben wir andere Ansichten als das Finanzministerium. Für uns sind im Unterschied zum Finanzministerium Investitionen in die Schutzausrüstung der Soldaten keine Ermessensausgaben.