Wienerin mit syrischen Wurzeln in Alpbach

(c) Katharina Roßboth
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Über ein Stipendium sind 14 Studierende mit Migrationshintergrund in Alpbach. Unter ihnen Nora Kelani, die syrische Wurzeln hat.

Es war 2010, als Nora Kelani das bislang letzte Mal in Syrien war. Dann begann sich die politische Lage zuzuspitzen – und es kam zum Bürgerkrieg. „Jetzt“, sagt die 24-Jährige, „ist die Lage besonders prekär.“ Und an Besuche bei den Verwandten in Hama ist nicht mehr zu denken. Für die Tochter syrischer Eltern, die in Wien aufgewachsen ist, eine belastende Situation. Immerhin war sie davor jedes Jahr für je ein bis zwei Monate in der Heimat ihrer Eltern. „Bis jetzt ist Hama von der Krise noch recht unberührt“, sagt sie. Doch es gebe Informationen, dass die Terrormiliz IS schon in die Region vorgedrungen sei.

Nora Kelani ist weit weg von Syrien – als Stipendiatin verbringt sie zwei Wochen beim Europäischen Forum Alpbach. Und doch ist der Konflikt auch hier allgegenwärtig. Vor allem, weil eine direkte Folge davon auch in Österreich spürbar ist – die Flüchtlinge, die in Europa auf Schutz hoffen. „Früher“, sagt Kelani, „war Syrien recht unbekannt.“ Das habe sich durch den Konflikt geändert. Mittlerweile weiß man, wo das Land liegt und was sich dort abspielt. „Es bedrückt mich, dass mein Land als Grund für Probleme gesehen wird.“

“Sozialschmarotzer“

Wobei die Reaktionen der Menschen sehr unterschiedlich ausfallen würden. Es gebe viel Verständnis für die Flüchtlinge, viel Hilfsbereitschaft. „Aber auf der anderen Seite auch viel Unverständnis.“ Besonders schmerzt es sie, wenn im Zusammenhang mit Flüchtlingen das Wort „Sozialschmarotzer“ genannt wird – wenn ihnen unterstellt wird, dass sie auf Kosten der Steuerzahler leben. „Niemand würde einfach so das Land verlassen, wenn es nicht wirklich nötig wäre.“

Es ist ein Thema, das die junge Wienerin laufend beschäftigt. In Alpbach, wo unter dem Generalthema „Ungleichheit“ auch über den Umgang mit Flüchtlingen geredet wird. Aber auch in ihrem Leben abseits des Forums. Unter anderem hat sie schon einen Verein gegründet, dessen Ziel es ist, Menschen zu unterstützen, die bei ihrer Flucht in Österreich gelandet sind. Unterstützung bei Behördenwegen, Schaffung von Öffentlichkeit für die Probleme dieser Menschen, aber auch Lernhilfen stehen im Mittelpunkt des „Austrian Network for Refugees“.

Unter anderem veranstaltet das Netzwerk sogenannte Tandem Tage – Treffen von Flüchtlingen und Einheimischen, bei denen Flüchtlinge mit Einheimischen Deutsch lernen – im Gegenzug helfen sie Interessierten, ihr Arabisch zu verbessern. Was etwa für Arabistik-Studenten eine gute Gelegenheit sein kann. Auf diese Weise sollen beide Seiten profitieren.

Hilfe für Studenten

Daneben ist sie auch noch in einem weiteren Verein aktiv. Die „Muslim Students' Society“ ist akademisch ausgerichtet – man hilft etwa ausländischen Studenten bei der Nostrifizierung von Abschlüssen, gibt Orientierung an heimischen Unis, organisiert Lernhilfe für Flüchtlinge – und veranstaltet immer wieder karitative Aktionen.

Die 24-Jährige hat gerade ihr Jusstudium erfolgreich abgeschlossen, im Herbst plant sie, mit dem Gerichtsjahr zu beginnen. Und zwischendurch hat es sie nun nach Alpbach verschlagen. Über den Österreichischen Integrationsfonds, (ÖIF) der heuer bereits zum dritten Mal mit Stipendien gezielt Menschen mit Migrationshintergrund zum Europäischen Forum bringt, ist sie mit 13 anderen Studenten – unter anderem aus Afghanistan, Ägypten, Bulgarien, Ghana oder der Türkei – hier angekommen. Für sie übernimmt der ÖIF sowohl die Teilnahmegebühr als auch die Kosten für die Unterbringung in Alpbach. Ziel der Initiative ist, die Potenziale dieser jungen Menschen bewusst wahrzunehmen und sie beim Aufbau von Netzwerken zu fördern – und damit auch ihre Integration im Berufsleben.

Ungleichheit, das Generalthema das Forums, passe wunderbar zu dieser Konstellation, meint die junge Stipendiatin. Wobei Ungleichheit gar nicht nur negativ verstanden werden sollte. „Für uns in der Gruppe ist unsere Ungleichheit auch der Ansporn, Gleiches zu finden.“ Was beim Forum auch gut gelinge. „Man kann hier mit tiefgründigen Menschen diskutieren, die wissen, wovon sie sprechen. Und es gibt nicht so eine große Kluft zwischen Akademikern und Studenten wie auf der Universität.“

Flüchtlinge bewusst einbinden

Dass der Integrationsfonds Menschen mit Migrationshintergrund die Möglichkeit gibt, am akademischen Diskurs teilhaben zu können, findet Kelani großartig. Sie als Wienerin mit syrischen Wurzeln habe es da ja ohnehin etwas leichter, schließlich ist sie hier aufgewachsen, hat die Schule besucht, die Uni absolviert und kennt das System. Umso wichtiger wäre es aber, meint sie, dass künftig auch bewusst Menschen mit Fluchterfahrung die Möglichkeit der Teilnahme bekommen.

Wann Nora Kelani wieder einmal ihre Verwandten in Syrien besuchen wird, weiß sie nicht. Zu unsicher ist, wie sich die Lage in der Heimat ihrer Eltern in den nächsten Jahren entwickeln wird. Was sie in einem Jahr machen will, das sei aber klar – sie will wieder beim Forum in Alpbach sein.

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