Malerin Mauersberg: Impressionen einer Heimatlosen

Toni Mauersberg
Toni Mauersberg(c) Katharina Roßboth
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Toni Mauersberg befasst sich mit dem Heimatbegriff – und hängt ihre Bilder zwischen Relikte aus Alpbachs Dorfgeschichte.

Die Holzdielen des 400 Jahre alten Bauernhauses knarren bei jedem Schritt. Von draußen hört man das ferne Bimmeln von Kuhglocken, drinnen ist es finster und staubig. Das Gebäude war einst ein Bergbauernhof, später errichtete die Bauernfamilie ein neues Haus und machte das alte zu einem Heimatmuseum: mit Möbeln, die einst in den Häusern gut betuchter Landwirte standen, alten Kesseln in der Küche, Sensen an der Wand. „Wir haben hier nichts weggenommen, aber auch nichts extra drapiert“, sagt die Künstlerin Toni Mauersberg, die inmitten der alten Objekte ihre Bilder aufgehängt hat. „Wir haben auch extra nicht geputzt.“

Die 25-Jährige ist in Deutschland aufgewachsen und studiert Malerei in Berlin. Ihre Eltern wurden beide in Alpbach geboren. Bei den Großeltern, die gleich auf dem Hügel gegenüber des Bergbauernmuseums in Inneralpbach wohnen, verbrachte sie ihre Sommerferien. Für die Ausstellung „Das bleibt. Mein Hof, mein Heim, mein Horizont“, die heute eröffnet wird, befasste sie sich mit dem Heimatbegriff und dem „schönsten Blumendorf Europas“. Die meisten der Bilder entstanden in Berlin, zu „Studienaufenthalten“ reiste die Künstlerin aber auch nach Alpbach. Einige Bilder zeichnete sie hier im Museum – selbst im Winter, als es im ungeheizten Haus ganz schön kalt war. „Dann kannst du eine halbe Stunde zeichnen, und dann musst du eine halbe Stunde Liegestütze machen, damit du wieder fähig bist, den Stift zu halten.“

Gemalte Dorfgeschichten

Zur Recherche durchforstete sie alte Fotos und Dokumente, fragte aber auch die Dorfbewohner nach Erinnerungen und Geschichten. So entstand etwa das kleine Bild einer Angorakatze in einer Babywiege, das jetzt über eben jener Wiege an der Wand hängt. Ein Mädchen aus dem Dorf hat Mauersberg von dem weißen Kätzchen erzählt, das eines Tages in der Wiege gesessen und eine amerikanische Touristin so erschreckt habe, „dass sie das kalte Grausen bekommen hat“.

Neben der Malerei und dem Zeichnen widmet sich Mauersberg auch der Lyrik. „Ich bin heute nacht um vier Uhr aufgewacht und habe drei schlechte Gedichte geschrieben“, sagt sie mit einem Grinsen. Die besseren Gedichte prangen zwischen den Bildern auf weißen Stoffstreifen. Auf einem davon heißt es: „Man muss seine Wurzeln kennen und aufpassen, dass man nachher nicht daran hängen bleibt.“

Sieht sie ihre eigenen Wurzeln in Alpbach? Ist die Ausstellung vielleicht so etwas wie Heimwehbewältigung? „Es ist kein schmerzhaftes Heimweh“, sagt sie nach einigem Zögern. „Ich habe eher getestet, ob es Heimat wirklich gibt oder ob sie Konstruktion ist.“ Mauersberg wurde in Hannover geboren, zog als Kleinkind nach Frankfurt, mit 14 zurück nach Hannover, mit 18 nach Berlin. Sie erinnere sich gut an ihre Kindheit in Frankfurt und hege Gefühle für die Alpbacher Landschaft, „aber unter dem Strich muss ich sagen, ich habe keine Heimat.“
Mit ihren Bildern – einige davon sind mit selbst gemachter Farbe aus Alpbacher Hühnereiern gemalt – will sie zeigen, dass sie sich für das Dorf interessiert, dass sie hier dazugehören will.

Sie deutet auf das Porträt eines alten Bauernehepaares, dessen Enkel heute den Hof führt. „Das Bild hätte ich gerne gegen eine Ziege getauscht. Da muss ich noch mit dem Bauern reden.“ Was will sie mit einer Ziege in Berlin anfangen? „Zuerst würde ich sie gerne benennen und dann will ich es mir so einrichten, dass sie irgendwann zu mir kommen kann. Ich mache langsame Schritte in Richtung städtische Verbäuerlichung.“ Die Alpbacher würden Mauersberg manchmal schief anschauen und sagen: „Ja, ja, die kommt aus der Stadt, die kann nicht einmal früh aufstehen.“ Sie will es ihnen zeigen: „Ich kann das meistern.“

Immerhin habe sie auch schon Hühner gehalten – in Jerusalem, wo die Jüdin ein Austauschjahr an der Kunsthochschule verbrachte. „Ich habe lange Zeit ganz orthodox nach den religiösen Prinzipien gelebt“, sagt sie. „Ich habe nur Röcke getragen, koscher gegessen und den Sabbat eingehalten: Nicht geraucht, kein Licht benutzt, auch nicht gemalt.“ Mit ihren Kunstwerken versucht sie nun, eine religiöse, aber zeitgenössische Bildsprache zu finden. Die Dreieckssymbolik zieht sich durch einige ihrer Bilder, sie soll „nicht Gott darstellen, aber an seine Präsenz erinnern“. Als Beispiel zeigt sie auf ein Ölbild, das in der Küche hängt: Eine Frau hält sich ein weißes, dreieckiges Spitzentuch an die Stirn. Man weiß nicht, ob sie betet, weint oder sich nur den Schweiß abtupft.

Auch zuhause glücklich sein

Draußen vor dem Museum, von wo man auf Inneralpbach hinabsieht, kommt Mauersberg wieder auf das Thema Heimat zu sprechen. „Du musst dich entscheiden“, sagt Mauersberg. „Bleibst du zuhause oder gehst du in die Welt? Es ist schwierig, beides zu haben.“ Sie selbst versuche, sich nirgends auf der Welt zu „installieren“, versteht aber auch jene Alpbacher, die ihre Heimat am liebsten niemals verlassen. Einer der Bauern habe ihr erzählt, dass er einmal am Brenner gewesen sei – weiter habe er sich noch nie von seiner Alm wegbewegt. „Er will auch nicht weg, er sagt, hier sei es eh am schönsten“, so Mauersberg. „Aber worum geht es im Leben? Man möchte glücklich sein. Und er hat es doch geschafft.“

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