Der Kapitalismus am Ende oder wieso wir uns bewegen sollten

Eroeffnung Wirtschaftsgespraeche
Eroeffnung WirtschaftsgespraecheForum Alpbach/Maria Noisternig
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Diskussion: Robin Chase fordert ein neues Wirtschaftsystem, Gerhard Zeiler mehr Flexibilität.

Schneller. Höher. Weiter. Wenn es nach den Teilnehmern des Eröffnungspanels der Wirtschaftsgespräche am Dienstagnachmittag geht, sollte Europa sich ordentlich sputen und die Wirtschaft auf neue Beine stellen. Den Auftakt zur Diskussion über „Neue Welt – neue Wege“ machte Robin Chase, die Mitgründerin des US-amerikanischen Car-Sharing-Unternehmens Zipcar. „Die Art und Weise, wie wir unseren Lebensunterhalt verdienen, ist gefährdet. Meiner Meinung nach ist der Kapitalismus am Ende. Er ist überholt. Jetzt ist es Zeit für etwas Neues“, sagte sie in ihrer Keynote. Die größten Gefahren für ein funktionierendes Wirtschaftssystem sieht sie bei Klimawandel und Ungleichheit. Wenig überraschend ist Chase der Meinung, dass die Sharing-Economy eine Alternative zu herkömmlichen Wirtschaftssystemen sein könne. Dort würden Überkapazitäten genutzt, durch das Internet könnte exponentielles Lernen stattfinden, und durch die internationale Vernetzung könnte für jedes Problem „die richtige Person“ erscheinen. Teilen sei die Lösung der Zukunft, sagte Chase. „Wenn ich an etwas teilnehme, bekomme ich immer mehr, als ich geben muss.“
Anschließend analysierte der chilenische Statistik-Experte, Datenvisualist und Autor César A. Hidalgo vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston sehr unterhaltsam, warum es in der Debatte seiner Meinung kein Schwarz und Weiß gebe.

Neues Licht gegen altes Licht

Die Herausforderung sei eine andere: „Hier kämpft nicht Licht gegen Dunkelheit, sondern neues Licht gegen altes Licht: Und das ist viel härter.“ Hidalgo ist überzeugt davon, dass Wirtschaftssysteme „dazulernen“ können. Es sei sogar vorhersagbar, wie sich ein Wirtschaftsraum entwickelt – ähnlich wie Amazon auszurechnen versucht, was für ein Buch ein Mensch als nächstes liest. Dabei gelte es allerdings gewisse Parameter zu beachten. Etwa, dass Lernen orts-, entfernungs- sowie pfadabhängig ist: Letzteres bedeutet, man lernt Dinge lieber beziehungsweise leichter, die denen ähnlich sind, die man bereits kann.

Ähnliches hatte bei der offiziellen Eröffnung auch der Präsident der Österreichischen Nationalbank, Claus Raidl, gesagt: „Uns ist bewusst, dass die Wirtschaft eine ungenaue Wissenschaft ist. Deswegen ist es wichtig, immer wieder Dogmen zu überprüfen und wenn nötig, über Bord zu werfen.“

„Wir waren zu langsam“

In der anschließenden Diskussion war es vor allem der österreichische Medienmanager Gerhard Zeiler, der auf die dringend notwendigen Veränderungen vor allem auch in unserer Haltung hinwies: „Das, was sich gerade im Medienbereich abspielt, ist der Prototyp für die Entwicklungen der gesamten Wirtschaft: Europa muss in Veränderungsprozessen schneller werden und braucht mehr Flexibilität“, sagte er, derzeit Präsident des US-Medienunternehmens Turner International. „Flexibilität ist im deutschsprachigen Raum eine Seltenheit. Bei uns ist alles verboten, was nicht extra erlaubt ist. Im englischsprachigen Raum ist das umgekehrt.“ Er habe den Eindruck, dass „wir an unserer eigenen Bürokratie ersticken“.

Auch Wirtschafts- und Wissenschafts-Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) betonte: „Wir wissen, wie groß der Wandel ist. Jetzt müssen wir den Mut aufbringen, rasch zu machen, rasch Entscheidungen zu treffen.“ Wichtig sei dabei auch, dass wir lernen, „auf Pfründe zu verzichten.“
Die US-amerikanische Unternehmerin Robin Chase unternahm schließlich ein Experiment mit den Zusehern. Sie fragte in die Runde, ob es für einen Wandel eher eine Evolution oder eine Revolution brauche und bat die Gäste jeweils ihre Hand zu heben. Chase zeigte sich erstaunt, dass mehr als zwei Drittel im Saal für eine Revolution stimmten, mehr als bei amerikanischem Publikum. „Das ist ein Zeichen. Denn eine Revolution ist im Grunde ein Horror für das Wirtschaftssystem“, betonte Chase. Aber offenbar sei der Status quo für viele untragbar geworden. „Wir benötigen eine Revolution. Wir müssen uns schneller entwickeln. Wir waren die vergangenen zwei Jahrzehnte einfach zu langsam. Jetzt sollten wir uns bewegen.“

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