Der Waldaufseher mit dem Herz aus Stahl

Waldaufseher Hannes Schneider
Waldaufseher Hannes Schneider(c) Katharina Roßboth
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Seit 2005 streift Hannes Schneider als Waldaufseher durch den Alpbacher Forst, hält die Wildbäche frei und lehrt Schüler, die Natur zu pflegen. Nebenher spielt er mit der Tuba auf.

Es war ein Unfall, der Hannes Schneider einst zum Waldaufseher machte. Ein tragischer, um genau zu sein. „Im November 2003 wurde mein Vorgänger beim Holzausmessen von einem Baum getroffen und starb“, erzählt der 46-Jährige, während er über einen schmalen Steig durch den Alpbacher Wald geht. Die Gemeinde, die verpflichtet ist, einen neuen Aufseher zu bestellen, schrieb daraufhin den Posten aus. Mehrere Bewerbungen gingen ein, darunter auch jene von Schneider, der sich sein Geld zum damaligen Zeitpunkt noch als Forstfacharbeiter verdiente.
Kurz darauf bekam er den Zuschlag.

„Ein Jahr lang dauerte die Ausbildung zum Waldaufseher und -pädagogen, im Mai 2005 wurde ich schließlich offiziell als Forstaufsichtsorgan der Gemeinde Alpbach vereidigt“, sagt der Vater von drei Töchtern „mit so ganz untypischen Berufen“, wie er meint: Die eine arbeitet als Elektrikerin, die andere ist Malerin, die dritte ist in der Metalltechnik tätig.

Brombeeren und Borkenkäfer

„Das Handwerkliche haben sie von mir“, sagt Schneider, während er mit einer Axt die Rinde von einem Baum schlägt. Der müsse „ausgezeigt“ werden, erklärt er. Der Grund: „Um den Stamm war ein Stahlseil einer Seilwinde gespannt, damit wir umgefallene Bäume abtransportieren konnten. Das Seil hat sich dabei tief in das Holz des Baumes gedrückt, weshalb er zu wenig Wasser bekommen hat und nun trocken wird.“ Ein Paradies für den Borkenkäfer und daher auch der Grund, weshalb die Fichte geschlägert werden muss.

Schneider dreht die Axt um und schlägt mit der stählernen Hinterseite gegen die helle Stelle, die er zuvor von der Rinde befreit hat. Zurück bleibt der Abdruck eines Herzens. „Die Axt ist ein Waldhammer“, klärt er auf. Jeder Waldaufseher hat einen, die Hinterseite des Stahls ist ein Stempel, mit dem jene Bäume gekennzeichnet werden, die gefällt werden sollen oder müssen. „Manche haben einen Stern, andere einen Kreis – ich hatte Glück und habe ein Herz zugewiesen bekommen.“

Der Waldhammer mit dem Herzstempel
Der Waldhammer mit dem Herzstempel(c) Katharina Roßboth

Neben dem Auszeigen von Bäumen auf dem rund 1300 Hektar großen Waldgebiet gehören auch Aufräumungsarbeiten nach Stürmen oder das Aufzeigen von Naturschutzverletzungen, etwa wenn Müll herumliegt, zu Schneiders Aufgaben. Außerdem kontrolliert er die mehr als 20 Wildbäche: „Ich muss dafür sorgen, dass ihr Bachbett frei von Holz und Muren ist.“ Einmal jährlich gehe er deshalb jeden einzelnen Bach zur Gänze ab, schildert Schneider. Auch die Bestandsverjüngung und -pflege fallen in seinen Bereich. Das bedeutet: Dafür zu sorgen, dass junge Bäume nachkommen, genug Platz und Licht haben, und Unkraut, wie wucherndes Springkraut, Brombeer- oder Himbeersträucher auszuschneiden.

Auch mit den Jägern (in der Umgebung gibt es eine Gemeindejagd sowie vier Eigenjagden) wird seit dem Vorjahr intensiver zusammengearbeitet. Laut neuem Jagdgesetz ist der Waldzustand vom Waldaufseher festzustellen. Je nach Stärke des Verbissdrucks auf Keimlinge (gemeint sind Fressspuren vom Wild an Jungpflanzen) wird der Abschuss festgelegt. „Wir haben sehr viel Rehwild, da die Winter milder geworden sind und die Tiere regelmäßig gefüttert werden. Eine natürliche Auslese gibt es faktisch nicht“, bedauert Schneider. Denn: „Zu viel Wild schadet dem Wald.“ Daneben hat Schneider, der auf der „Schattseiten“ des Bergdorfes wohnt (das Elternhaus befindet sich am Fuß des Wiedersberger Horns) und dort selbst Wald besitzt, auch am Bauhof der Gemeinde zu tun, etwa im Winterdienst oder der Biomüllabfuhr.

Ein Stück Wald in der Kiste

Seine Aufgaben als Waldpädagoge nimmt der begeisterte Skitourengeher freilich auch wahr: Mit Kindergartengruppen und Schulklassen geht er regelmäßig in den Wald. Lehrt sie die Baumarten anhand der Blätter und Rinden zu unterscheiden, setzt mit ihnen Jungbäume und macht sie auf den richtigen Umgang mit der Natur aufmerksam. „Wir zeigen den Kindern zwei Kisten, die wir schräg gegen die Wand in den Klassenzimmern stellen. In der einen befindet sich ein Stück Boden eines guten Schutzwaldes, also eines, in dem Moose und andere Pflanzen wachsen. In der anderen ist Moränenmaterial und abgestorbenes Holz“, schildert Schneider. Im nächsten Schritt „regnet“ es aus der Gießkanne. „Der ungepflegte, tote Wald rutscht ab, würde im echten Leben Häuser oder Straßen verschütten, der gepflegte Waldboden hält dem Unwetter Stand.“

Ist Schneider nicht auf der Gemeinde oder im Wald, arbeitet er entweder auf seiner kleinen Landwirtschaft oder übt sich im Tubaspielen. Auch das – wie sein Beruf – ein Resultat des Zufalls. „Ich bin dem verunglückten Alois Moser 2004 nicht nur als Waldaufseher nachgefolgt, sondern habe ihn auch als Musiker beerbt“, sagt er, der bis dahin nur am Tenorhorn gespielt hatte.

Der Grund des Instrumentenwechsels: „Nach dem Unfall stand auch die Existenz der Truppe auf der Kippe“, erinnert sich Schneider. Zu guter Letzt habe man sich aber entschlossen, weiter zu musizieren – und dafür brauchte es eben einen Tubaspieler. Heute ist der Waldaufseher nicht nur eines von fünf Mitgliedern der Alpbacher Bläser, sondern gehört auch zum rund 70-köpfigen Ensemble der Bundesmusikkapelle Alpbach.

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