Polen: Rechtsnationale wettern gegen deutsche Minderheit

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Ein Vertreter der Kaczyński-Partei bezeichnete die Deutschen in Polen als "Parasiten". Ein Streitpunkt sind zweisprachige Ortstafeln. Mit einem "Patriotischen Protestmarsch" wollen sie ihre Beliebtheitswerte verbessern.

Warschau. „Die Deutsche Minderheit ist ein Parasit“, schimpft der Regionalchef der Kaczyński-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), Slawomir Klosowski. Die Deutschen, die für die regionale Wirtschaftsentwicklung wichtig sind, würden den polnischen Staat wie eine Kuh melken, begründet Klosowski sein Verdikt und führt als Beispiel finanzielle Zuwendungen des Bildungsministeriums für den Deutschunterricht an.

Der rechtsnationale Lokalpolitiker ist kürzlich extra nach Warschau gereist, um die polnischen Abgeordneten vor einem „Kosovo in Polen“ zu warnen. „Wenn wir uns nicht gegen die Anmaßungen der deutschen Minderheit und der schlesischen Autonomiebewegung wehren, haben wir hier bald ein Kosovo“, meinte er unter Beifall der Kaczyński-Anhänger. Bereits im vergangenen Wahlkampf hat Oppositionsführer Jaroslaw Kaczyński die schlesische Autonomiebewegung RAS, die in der Wojwodschaft Katowice eine Koalition zusammen mit Donald Tusks landesweit regierender Bürgerplattform gebildet hat, als geheime „deutsche Option“ beschimpft. In der Wojwodschaft Opole (Oppeln) will die PiS nun zum Jahresanfang einen großen patriotischen Protestmarsch unter dem Motto „Hier ist Polen!“ organisieren.

Die in den Umfragen nach einem Höhenflug wieder eingebrochene PiS stört sich laut eigenen Aussagen vor allem an den zweisprachigen Ortsschildern. Laut polnischem Recht, das hierin EU-konform ist, hat jede Gemeinde mit mehr als 20 Prozent Minderheitenanteil das Recht auf zwei- oder gar dreisprachige Tafeln. Ein auswärtiger Besucher könnte ja meinen, er halte sich in Deutschland auf, argumentiert die PiS. Zudem würden sich viele Polen, die nach dem Krieg aus den sich heute in der Ukraine, Weißrussland oder Litauen befindenden polnischen Ostgebieten zwangsausgesiedelt wurden, an den deutschen Inschriften stören.

Vergleich mit ETA

Ein Augenschein vor Ort zeigt allerdings gerade in Schlesien immer wieder vor allem Toleranz. Landesweit lässt sich hingegen mit angeblichen Spannungen, die es zu verhindern gälte, Politik machen. Kaczyńskis PiS schreckt dabei selbst vor einem Vergleich der deutschen Minderheit in Oppeln mit der baskischen Terrororganisation ETA nicht zurück.

Dabei wird die deutsche Minderheit in Polen kleiner und kleiner. Hatten sich vor zehn Jahren noch 153.000 polnische Bürger bei der Volkszählung als Deutsche deklariert, so waren es Mitte 2011 gerade noch 109.000 – rund 60.000 davon in der Wojwodschaft Opole. Weniger als die Hälfte davon bezeichneten sich ausschließlich als Deutsche, 60.000 kreuzten an, sie seien „Deutsche und Polen“. Dagegen hat sich die Volksgruppe der „Schlesier“, die laut polnischem Gesetz nicht als nationale Minderheit gilt, seit 2002 fast verfünffacht (auf 800.000). Sowohl die gemäßigte „Bewegung für die Schlesische Autonomie“ wie die radikale „Vereinigung der Bürger mit der Volkszugehörigkeit Schlesier“ unterhalten heute Büros in Opole.

„Beispiel für Toleranz“

Eine parteiübergreifende Parlamentariergruppe aus Schlesien hat inzwischen einen Aufruf gegen die rechtsnationale „Hasspropaganda“ gegen die deutsche Minderheit in Polen unterzeichnet. „Unsere Region ist ein hervorragendes Beispiel für die Toleranz unseres EU-Landes“, begründet Henryk Siedlaczek (PO) in der Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“. Kaczyński habe es bereits geschafft, die polnisch-russischen Beziehungen zu stören, ähnliches wolle man bei den polnisch-deutschen Beziehungen nicht zulassen, unterstrichen die Unterzeichner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.11.2012)

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