„. . . dann scheißen sie sich in die Hose“

Die Presse (Fabry)
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Tschechiens Regierungschef Mirek Topolánek macht mit seinen vulgären Ausfällen selbst vor den eigenen Landsleuten nicht halt. Jetzt hat er den Bogen möglicherweise überspannt.

PRAG. Mirek Topolánek ist ein Freund klarer Gesten und deutlicher Worte. Doch damit eckt der tschechische Ministerpräsident häufig an: Besagte Gesten und Worte sind nämlich nicht immer „stubenrein“.

Für einen ausgemachten Skandal sorgte der Regierungschef, der gerade erst Wien besucht hat, vor einiger Zeit im Parlament. Dort zeigte er einem Redner, zwar hinter dessen Rücken, aber von den Fernsehkameras beobachtet, den gestreckten Mittelfinger. Dieses vulgäre Symbol kennen auch die Tschechen. Der Vorfall löste erhebliche Tumulte aus. Eine Abgeordnete sagte, sie schäme sich für diesen Mann, der als Regierungschef untragbar sei.

Seinerzeit redete sich Topolánek heraus, er habe mit der Geste etwas ganz anderes gemeint: der Redner sei „Spitze“ gewesen. Jetzt aber hat sich der konservative Regierungschef mit einem Interview kräftig in die Nesseln gesetzt. Gegenüber der Wirtschaftszeitung „Hospodárské noviny“ erklärte er, „die Tschechen sehen gewöhnlich alles negativ – und wenn etwas passiert, dann scheißen sie sich in die Hose“.

Entschuldigung gefordert

Hintergrund dieser derben Wortmeldung war das Sparpaket seines Kabinetts. Es sei erforderlich, „gute Laune“ und „keine Hysterie“ über die in Kraft getretenen Teuerungen zu verbreiten. Mit seiner vulgären Herabwürdigung der eigenen Landsleute kam Topolánek nicht gut an. Der sozialdemokratische Bürgermeister des mittelböhmischen Ortes Cerhenice, Marek Semerád, etwa verlangte von Topolánek eine Entschuldigung. Anderenfalls werde er den Premierminister anzeigen, fühle er sich doch als Angehöriger des tschechischen Volkes beleidigt.

Klaus gibt Rückendeckung

Semerád, ein gelernter Historiker, wies darauf hin, dass sich unter anderem tausende Tschechen im Widerstand gegen die Nazi-Tyrannei verdient gemacht hätten. Die rechtsextreme, außerparlamentarische Nationalpartei hat den Premier bereits angezeigt. Dessen Aussage erfülle den Straftatbestand der „Schändung des Volkes und der Rasse“.

Topolánek sah zu einer Entschuldigung zunächst aber keinen Anlass. Er beschuldigte vielmehr seinen Interviewer, die Formulierung vom „sich in die Hose scheißen“ („podelat se“) selbst in das Interview eingeführt zu haben. Er habe diese Formulierung lediglich aufgenommen und bestätigt.

Die Redaktion von „Hospodárské noviny“ wies dies zurück und veröffentlichte auf ihrer Internet-Seite den betreffenden Abschnitt des Interviews im Originalton. Der ist eindeutig. Danach hat nur Topolánek selbst die vulgäre Ausdrucksform verwendet.

Inhaltlich bemühte sich Topolánek indes etwas zurückzurudern. Die Tschechen, so sagte er, würden in Zeiten geschichtlicher Umbrüche „meistens zurückweichen und sich verstecken“. Er wolle das aber nicht verallgemeinern.

Der Premier spielte damit indirekt auf die passive Haltung der Tschechen 1938 bei der Abtrennung des Sudetenlandes an Hitler und in der Zeit der „Normalisierung“ nach der Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968 an.

Die tschechoslowakischen Streitkräfte leisteten den einmarschierenden Truppen des Warschauer Paktes damals keinen militärischen Widerstand. Und nach 1969 erlahmte auch der passive Widerstand der Tschechen und Slowaken gegen die von Moskau wieder installierte orthodox-kommunistische Herrschaft; sie zogen sich ganz in die private Sphäre zurück.

Staatspräsident Václav Klaus wollten seinem Parteifreund Topolánek zur Seite springen. Er selbst, so Klaus, würde sich nicht so äußern. Aber die Tschechen seien nun einmal nicht wie die Polen, „die immer fähig waren, mit Schwertern auf Pferden gegen Panzer zu kämpfen“. Vermutlich habe der Premier so etwas andeuten wollen – „in einer Weise, die seinem Naturell entspricht“.

Popularität sinkt

Viel helfen wird Topolánek die präsidiale Rückendeckung aber nicht. Seine Popularitätswerte sind seit Monaten im Keller. Die Soziologen sehen den Hauptgrund dafür nicht unbedingt in seiner ungeliebten Reformpolitik. Vielmehr schade dem Regierungschef in der Bevölkerung seine „wiederholt ungehörige Wortwahl“. Leitartikel Seite 35

ZUR PERSON

Mirek Topolánek (51) ist seit 2002 Vorsitzender der rechtsliberalen Demokratischen Bürgerpartei (ODS) und seit September 2006 tschechischer Premier. Seine Regierung mit Christdemokraten und Grünen wurde erst im Jänner 2007 bestätigt. Schuld war ein Patt der Mandate, das durch Stimmenthaltung von zwei Ex-Sozialdemokraten gelöst wurde. Durch diese Abhängigkeit bleibt seine Regierung instabil.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2008)

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