Mögliche Fehler von Seiten der EU würden die Gewalt in der Ukraine nicht rechtfertigen. Finnlands Außenminister schließt einen Militärpakt mit Schweden nicht aus.
Die Presse: Finnland ist das einzige EU-Mitglied, das sich eine Landesgrenze mit Russland teilt und nicht der Nato angehört. Wird ihr Land nun im Sog der Ukraine-Krise wie Schweden aufrüsten oder die Nato anpeilen?
Erkki Tuomioja: Wir machen so weiter wie bisher. Denn anders als Schweden haben wir unsere Verteidigungskapazitäten in den vergangenen Jahren nicht zurückgefahren. Und eine Nato-Mitgliedschaft lehnt weiterhin eine breite Mehrheit ab.
Umfragen zufolge würden die Finnen aber ein Militärbündnis mit Schweden unterstützen.
Richtig ist, dass die nordische Verteidigungskooperation populär ist. Aber das Ziel ist kein bilaterales Militärbündnis mit Schweden. In 10, 20 Jahren könnte es dennoch dazu kommen. Falls wir vereinbaren sollten, uns Ausrüstung zu teilen, dann bräuchten wir einen Vertrag über die Nutzung in Krisenzeiten.
Der ukrainische Außenminister schlug für sein Land das „Finnland-Modell“ vor: bündnisfrei und EU-Mitglied. Eine gute Idee?
Wir mögen historische Begriffe wie „Finnland-Modell“ oder „Finnlandisierung“ nicht. Aber ein Land, das EU-Mitglied ist und mit seinen Nachbarn gut auskommt: Das sollte doch für jeden ein Modell sein.
Aber ist das auch realistisch für die Ukraine?
Die Ukraine ist noch Jahrzehnte davon entfernt, für die EU-Mitgliedschaft bereit zu sein. Die EU will auch keine Mitglieder, die Probleme oder Konflikte mit ihren Nachbarn haben.
Am Anfang der Ukraine-Krise stand das EU-Assoziierungsabkommen. War es ein Fehler?
Im Herbst hatte es den Anschein, als müsste sich das Land zwischen der EU und Russland entscheiden. Wir wissen aber nicht, ob eine ausgewogenere Nachbarschaftspolitik die Krise verhindert hätte. Mögliche EU-Fehler rechtfertigen die Gewaltanwendung und den Völkerrechtsbruch durch Russland auch nicht.
Ihr Land gilt als Bremser mit Blick auf Russland-Sanktionen.
Falls Russland in der Ostukraine militärisch interveniert, halten wir EU-Wirtschaftssanktionen für unausweichlich. Danach sieht es aber nicht aus. Und Russland bezahlt schon jetzt einen hohen Preis an den Märkten. Das ist effizienter als Sanktionen. Es wird keinen Technologietransfer nach Russland geben, Kapital wird aus dem Land abgezogen.
Das trifft auch die finnische Wirtschaft hart, die sehr eng mit der russischen verflochten ist.
In den letzten zehn Jahren stieg die Zahl der Grenzübertritte jährlich um zehn Prozent. Nun ist sie erstmals gesunken. Das trifft etwa den Tourismussektor, ja. Die Talfahrt der russischen Wirtschaft begann allerdings schon zuvor. Die Ukraine-Krise hat sie dann beschleunigt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.05.2014)