Von Ankara ausgebildete syrische Polizeikräfte sollen eine De-facto-Schutzzone errichten. Der Plan trifft auf Zustimmung Trumps.
Istanbul. Ali Yerlikaya war sich der Bedeutung des Augenblicks bewusst. „Heute ist ein sehr wichtiger Tag“, sagte der Gouverneur der türkischen Provinz Gaziantep an der Grenze zu Syrien während einer Feierstunde diese Woche. Bei der Zeremonie wurde die Türkei ganz offiziell zur Ordnungsmacht beim südlichen Nachbarn: Zum ersten Mal wird eine von der Türkei ausgebildete syrische Polizeitruppe in Syrien eingesetzt. Die Ordnungshüter fungieren als Statthalter Ankaras auf syrischem Boden und schaffen dort eine De-facto-Schutzzone. Genau das will auch der neue US-Präsident, Donald Trump.
Die rund 440 Mann starke Polizeitruppe, die in die syrische Grenzstadt Jarablus geschickt wurde, ist die Vorhut einer Einheit, die insgesamt 5000 Polizisten stark sein soll. Die Männer – überwiegend frühere Rebellen – wurden im südtürkischen Mersin ausgebildet. Jarablus war die erste syrische Stadt, die nach Beginn der türkischen Militärintervention Euphrates-Schild in Syrien im August erobert wurde. Die türkischen Soldaten und verbündete Milizen der Freien Syrischen Armee (FSA) vertrieben die Kämpfer des Islamischen Staates (IS) und drängten sie Richtung Süden zurück. Inzwischen sind die Türken weiter vorgedrungen und stehen vor al-Bab, rund 25 Kilometer südlich der Grenze.
Die Türkei will mit ihrer Militärpräsenz den IS aus dem Grenzgebiet verdrängen und gleichzeitig die Ausbreitung des Machtbereichs der syrischen Kurden stoppen. Nach und nach soll die neue syrische Polizeitruppe in dem ganzen von der türkischen Interventionstruppe eroberten Gebietsstreifen eingesetzt werden. Auf diese Weise soll ein sicheres Gebiet für syrische Flüchtlinge entstehen. In Jarablus sind nach türkischen Angaben 24.000 Flüchtlinge heimgekehrt.
Auf Linie des neuen US-Präsidenten
Die türkische Regierung fordert seit Jahren die Einrichtung von Schutzzonen auf syrischem Gebiet, um dort Flüchtlinge ansiedeln zu können. Bisher hatten die westlichen Verbündeten nicht viel für den Gedanken übrig, weil es kein UN-Mandat dafür gibt. Zudem wusste niemand, wer die Schutzzonen sichern soll. Ankara will jetzt mit der neuen Polizeieinheit die Antwort darauf geben.
Mit dem Vorhaben liegt Ankara ganz auf der Linie von Trump, der die Forderung nach Schutzzonen in Syrien zum Teil seiner neuen Flüchtlings- und Einwanderungspolitik gemacht hat. „Absolut“ werde er die Zonen einrichten, sagte Trump dem Sender ABC. Laut Medien will er innerhalb von drei Monaten einen Plan zur Schaffung syrischer Schutzzonen haben. Unklar ist, ob er zur Sicherung der Zonen auch ein stärkeres militärisches Engagement der USA in Syrien einleiten will.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2017)