Nordkorea feuert gegen Trump

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Grenzgebiet zwischen Nord und S�dkorea A South Korean soldier stands guard at the Dorasan Station i(c) imago/UPI Photo (imago stock&people)
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Der erste Start einer Mittelstreckenrakete seit Donald Trumps Amtsantritt war technisch harmlos, aber politisch brisant: Trump war zuletzt zuversichtlich, sich Nordkorea annähern zu können.

Nordkoreas Diktator, Kim Jong-un, will offenbar ausreizen, wie weit er den neuen US-Präsidenten, Donald Trump, provozieren kann. Sein jüngster Raketentest am Sonntag zielt eindeutig auf die neue Asien-Strategie Washingtons. Besonders brisant ist, dass er just während des USA-Japan-Gipfels in Florida stattfand.

Beim Gipfel sicherte Trump gleich Japans Premier, Shinzō Abe, „hundert Prozent“ Unterstützung zu: „Die Vereinigten Staaten stehen hinter Japan, ihrem großen Verbündeten, und bekennen sich ausdrücklich zur traditionellen Militärallianz.“

Südkorea fordert „Bestrafung“

Durch den Test muss sich Trump wohl besonders brüskiert fühlen: Er hatte im Wahlkampf gesagt, er glaube, mit Kim über dessen Atomwaffenprogramm reden und eine Annäherung versuchen zu können. Japan und Südkorea richtete er damals übrigens aus, sie sollten nicht auf ewig mit uneingeschränkter US-Unterstützung rechnen bzw. dafür anständig bezahlen.

Abe nannte die nordkoreanische Rakete „absolut nicht tolerierbar“. Auch in Südkorea fühlt man sich provoziert. Der amtierende Präsident, Hwang Kyo-ahn, der wegen der Suspendierung von Präsidentin Park Geun-hye (wegen des Verdachts auf Korruption) die Geschäfte führt, forderte „entsprechende Bestrafung“. Er nannte den Raketenstart „eine Provokation, mit der die Reaktion der neuen US-Regierung“ getestet werden solle. Nordkorea wolle einmal mehr „weltweite Aufmerksamkeit“ auf sich ziehen.

Warum flog die Rakete nur so kurz?

Es ist unwahrscheinlich, dass Kim mit einer anderen, gar einer hektischen Reaktion gerechnet hat. Sonst hätte er ein bedrohlicheres Geschoss abgefeuert. Die Rakete aus dem Norden wurde Sonntag früh Richtung Osten abgeschossen, flog nur etwa 500 Kilometer und stürzte dann ins Meer, ohne in Japans Hoheitsgewässer einzudringen. TV-Bildern und Militärexperten zufolge war es wohl eine Mittelstreckenrakete Typ Musudan bzw. Rodong-B, beide können angeblich noch keine Nuklearköpfe tragen. Aber sie haben Reichweiten von 2500 bis 4000 Kilometer, weshalb die kurze Flugstrecke jetzt verwundert. War sie so geplant, oder gab es einen Defekt? Diese erste nordkoreanische Rakete in der Ära Trump hätte jedenfalls militärisch weit gefährlicher ausfallen können. Zuletzt hatte Machthaber Kim Jong-un in seiner Neujahrsansprache gedroht, dass Nordkorea kurz vor dem Test einer Interkontinentalrakete stehe, die Teile der USA bedrohen könnte. Zwar versicherte Trump in einer Twitterbotschaft gleich, dass das „nicht passieren“ werde, aber sein Verteidigungsminister James Mattis drohte doch eine „wirksame und überwältigende“ Antwort an.

Nach der Wahl Trumps hat sich Kim außenpolitisch bisher auffallend ruhig verhalten. Nun provoziert er erneut die Welt. Politische Beobachter in Seoul nennen den Raketentest eine „wütende Reaktion“: Die USA und Südkorea haben unlängst angekündigt, dass sie heuer das bisher größte gemeinsame Manöver abhalten wollen. Kim kann das nicht verhindern.

Sprengkraft nimmt zu

Unterschätzen sollte man das Potenzial Pjöngjangs aber nicht. Das Regime hat bewiesen, dass es trotz seiner internationalen Isolation und knapper Finanzen sein Atomprogramm fortentwickeln kann. Die Sprengkraft unterirdischer nordkoreanischer Nuklearexplosionen steigt. Auch US-Geheimdienste glauben inzwischen, dass Kims Genossen die technologische Schwelle der Miniaturisierung von Atomsprengsätzen überschritten haben. Fehlt nur noch die entsprechende Trägerrakete. Jeder Abschuss bringt Nordkorea diesem Ziel näher. Und für das Regime ist es essenziel, dass es als Nuklearmacht gilt.

Geheime Verhandlungen mit Japan

Dass Jungdiktator Kim einen neuen Raketentest gewagt hat, erstaunt vor allem die Japaner. Seit Monaten laufen geheime Verhandlungen zwischen Tokio und Pjöngjang mit dem Ziel, Nordkorea – mit viel Geld – irgendwie doch auf einen friedlichen Kurs zu lenken. Dass die ersten drei Gesprächsrunden in Peking stattfanden, zeigt, dass auch die Chinesen ein Einlenken ihres unartigen Juniorpartners möchten.

In Peking aber wurde argwöhnisch beäugt, dass Trump und Abe nun die „tiefe Freundschaft“ zwischen den USA und Japan als Eckpfeiler der pazifischen Sicherheitsallianz lobten. „Wir sind der Sicherheit Japans verpflichtet“, sagte Trump. Diesen Satz interpretiert man in Tokio auch so: Die USA seien im japanisch-chinesischen Konflikt um enorme Gebiete im Südchinesischen Meer auf Seiten Japans.

Trump dankte Abe ausdrücklich auch dafür, dass Japan US-Truppen beherbergt, die die militärische Lage im asiatisch-pazifischen Raum jederzeit unter Kontrolle haben. Das sind ganz neue Töne – gerade im Vergleich mit seinen Aussagen im Wahlkampf, dass Japan für den Schutz durch die USA gefälligst bezahlen solle.

CHRONOLOGIE

1998. Nordkoreanische Mittelstreckenrakete fliegt über Japan.

2002. George W. Bush setzt Nordkorea auf Liste der „Schurkenstaaten“.

2005. Nordkorea sagt, es besitze Kernwaffen.

2006. Nordkorea behauptet, eine Atombombe gezündet zu haben.

2012. Nordkorea bezeichnet sich in seiner Verfassung als Atommacht.

2016. Nordkorea gibt im Jänner bekannt, es habe eine Wasserstoffbombe getestet. Die USA reagieren mit einem Bomber-Flug über Südkorea. Im September erfolgt

noch ein A-Test.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2017)

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