Kanzler Kern strebt kein rechtliches Verbot von Auftritten türkischer Politiker in Europa an, sondern ein gemeinsames politisches Vorgehen. In Ottakring kam es zum Konflikt zwischen türkischen Veranstaltern und dem ORF.
Wien. Bundeskanzler Christian Kern hat am Sonntag ein gemeinsames europäisches Vorgehen gefordert, um Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in den EU-Staaten zu verhindern. Doch wie sollte dieses aussehen? Ein EU-weites Verbot derartiger Auftritte scheint weder zeitlich noch rechtlich machbar zu sein.
Aus dem Bundeskanzleramt heißt es nun, dass gar nicht an eine rechtliche Aktion gedacht war, sondern an ein gemeinsames politisches Auftreten. Länder, die derartige Auftritte untersagen, sollen Rückendeckung aus der EU erhalten, um nicht allein dem Druck der Türkei ausgesetzt zu sein. Bekanntlich sind in einigen Kommunen in Deutschland derartige Auftritte verboten worden, woraufhin der türkische Präsident, Erdoğan, den Behörden „Nazi-Methoden“ vorgeworfen hat.
Außenminister Sebastian Kurz hat sich am Montag gegen eine europäische Regelung ausgesprochen und auf ein österreichisches Verbot gedrängt: „Ich glaube nicht, dass es gut wäre, diese Debatte ins Nirwana der europäischen Diskussion zu verschieben. Ich glaube, dass wir eine österreichische Lösung treffen sollten“, sagte Kurz in Brüssel.
In Wien hat am Sonntag in einem Vereinslokal in Ottakring eine Werbeveranstaltung für das Verfassungsreferendum stattgefunden – und da ist es zu einer Auseinandersetzung zwischen den Veranstaltern und dem ORF gekommen. Die AKP-nahe Union Europäisch-Türkischer Demokraten (UETD) hatte den ehemaligen türkischen Politiker ?evki Yılmaz eingeladen, der die Werbetrommel für die Änderung der türkischen Verfassung rührt.
Hackerangriff auf Außenamt
Eine ORF-Journalistin, die mit Kopftuch verkleidet an der Veranstaltung teilnehmen wollte, wurde aus dem Saal gewiesen. Dies sei eine private Veranstaltung, die Anwesenheit von Journalisten sei nicht gewollt. Die Redakteurin rief die Polizei, die allerdings keinen Grund für ein Einschreiten sah: Es habe weder eine Beschimpfung noch Handgreiflichkeiten gegeben. Der ORF wies den Vorwurf der „Spionage“ zurück: Das Vereinslokal sei zu Beginn der Veranstaltung öffentlich zugänglich gewesen.
Unterdessen ist der Internetauftritt des Außenministeriums am Montag neuerlich Ziel eines türkischen Hackerangriffs geworden. Es handle sich um den dritten derartigen Vorfall seit November, bestätigte Außenamtssprecher Thomas Schnöll einen Bericht der Tageszeitung „Österreich“. Es habe aber nur eine kurzfristige Störung gegeben: „Wir mussten nur wenige Minuten vom Netz gehen.“
Kurz lasse sich durch die Angriffe „von seiner Türkei-Politik nicht abhalten“, betonte Schnöll. Wegen der DDoS-Attacke (des Überschüttens einer Website mit so vielen Anfragen, dass sie zusammenbricht) sei die Ministeriumshomepage in Österreich einige Minuten offline gewesen, in Europa etwa 15 Minuten. Es sei aber zu keinem Abfluss von Daten gekommen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.03.2017)