Wie die Schulz-SPD nun mit der Linkspartei flirtet

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Die Landtagswahl im Saarland schien schon gelaufen. Dann kam der „Schulz-Effekt“. Und plötzlich muss die CDU um den Machterhalt zittern. Ein rot-rotes Bündnis könnte sich ausgehen.

Berlin. Es geht im Wahlkampf im Saarland um große politische Fragen, das schon, wie etwa ob das Gymnasium acht Jahre dauern soll (CDU) oder wieder neun (SPD). Debattiert wurde aber auch über die Pleite einer Fischzuchtanlage und einen teuren Museumspavillon. Der Rest Deutschlands nahm kaum Notiz vom Treiben in seinem kleinsten Flächenstaat, an der Grenze zu Frankreich. Das lag auch daran, dass die Landtagswahl langweilig zu werden schien: Meinungsforschern zufolge ist CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (46) populär und die Mehrheit der 800.000 Wahlberechtigten mit der Arbeit der Großen Koalition zufrieden. Keine Spur von Wechselstimmung. Dann kam Martin Schulz, oder besser: der Hype um ihn.

Und plötzlich blickt Berlin gebannt an die Saar, wo das Rennen wieder offen und am Sonntag ein historischer Machtwechsel möglich ist: die erste Koalition SPD-Linkspartei in einem westlichen Bundesland.

Die Merkel-Vertraute

Den Verlust des Saarlands hat in der CDU niemand eingeplant. Es wäre ein Katastrophenstart ins Superwahljahr 2017 mit den Urnengängen in Schleswig-Holstein (7. Mai), Nordrhein-Westfalen (14. Mai) und dem Finale auf Bundesebene (24. September). Eine Niederlage würde Angela Merkel persönlich treffen, weil Kramp-Karrenbauer, Spitzname „AKK“, eine enge Vertraute ist und sich die beiden im Stil ähneln – Typ: nüchterne Pragmatikerin. Inhaltlich hatte Kramp-Karrenbauer an Merkels Flüchtlingspolitik noch festgehalten, als sich die Kanzlerin schon selbst davon verabschiedet hatte. Doch inzwischen macht sich Nervosität breit bei „AKK“, die das verschuldete ehemalige Bergbauland mit ruhiger Hand auf einen Konsolidierungskurs setzte. Entgegen Merkels Linie preschte sie mit einem Verbot türkischer Wahlkampfauftritte vor. Obwohl es gar keine Anfragen im Saarland gab.

Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer (CDU)
Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer (CDU)REUTERS

Die Landesmutter spürt den „Schulz-Effekt“, zumal der SPD-Chef nun auch als „halber Saarländer“ beworben wird. Sein Vater wuchs im Dorf Spiesen-Elversberg auf. Das gibt SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger Aufwind, Saarlands Rekordhalterin im Kugelstoßen. Sie wähnt sich vor dem großen politischen Wurf. Rehlinger mimt ihren Parteichef, geht auf Distanz zu der Landesregierung, in der sie Wirtschaftsministerin ist, mahnt Gerechtigkeit ein und verlangt „Investitionen“. Berührungsängste mit der Linkspartei hat sie nicht. Und so könnte deren Spitzenkandidat, Oskar Lafontaine, Königsmacher werden, der 73-Jährige, der das Saarland 13 Jahre lang regiert hatte. Für die SPD. Danach kam der Bruch mit Schröders Sozialdemokraten. Schulz aber kann gut mit dem abtrünnigen Genossen, würdigt seine Ära im Saarland als „recht erfolgreich“. Und Lafontaine selbst wirbt eifrig für Rot-Rot, ein Bündnis, das Umfragen zufolge weniger als 30 Prozent präferieren. Und das doch möglich scheint.

Saarlands SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger und SPD-Parteichef Martin Schulz
Saarlands SPD-Spitzenkandidatin Anke Rehlinger und SPD-Parteichef Martin SchulzAPA/AFP/JOHN MACDOUGALL

Keine drei Monate ist es her, dass Meinungsforscher die SPD bei 24 Prozent sahen. In der jüngsten Umfrage liegt sie nur noch knapp hinter der CDU, mit 37 zu 32 Prozent. Eine zweite Umfrage sieht ein Kopf-an-Kopf-Rennen (35 zu 34), und die Linkspartei bei 13 Prozent. Das würde für Rot-Rot reichen - auch deshalb, weil Grüne und FDP anders als die AfD derzeit an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern würden.

Das Wahlergebnis wird nicht taugen, um daraus große Schlüsse für die Bundesebene zu ziehen. Das Saarland hat seine Eigenheiten, seine Bewohner werden gemeinhin als besonders katholisch und heimatverbunden beschrieben, mit einem Hang zur französischen Lebenskunst, in der sich die wechselvolle Geschichte des Grenzlands ausdrückt. Und die Umfragewerte der Linkspartei im gründen sich vor allem auf die noch immer hohe Popularität Lafontaines im Saarland.

Und doch wäre ein Machtwechsel an der Saar bedeutsam für die SPD, den Umfragekaiser Schulz. Er behielte das Momentum. Ein Bündnis mit Lafontaine könnte zudem eine Aussöhnung zwischen SPD und Linkspartei im Westen einleiten. In der Sonntagsfrage ging sich zuletzt Rot-Rot-Grün auf Bundesebene knapp aus. Der Flirt in der Provinz, er wäre dann nur das Vorspiel.

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