Südafrika: Präsident Zumas politischer Amoklauf

Der bisherige Finanzminister Gordhan (l.) und sein Stellvertreter Jonas (Mitte).
Der bisherige Finanzminister Gordhan (l.) und sein Stellvertreter Jonas (Mitte).(c) REUTERS (SIPHIWE SIBEKO)
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Der Staatschef entlässt mit seinem Finanzminister den letzten Stabilitätspfeiler seiner Regierung für die internationalen Finanzmärkte. Auch neun weitere Minister müssen gehen – fast ausschließlich parteiinterne Kritiker.

Kapstadt. Das südafrikanische Lied „Senzeni Na“ wird normalerweise auf Beerdigungen angestimmt. Doch am Freitag betrauerten Dutzende Angestellte des Finanzministeriums mit dem Song die Absetzung ihres Chefs Pravin Gordhan und damit einen der wohl größten Rückschritte in der Geschichte der Demokratie Südafrikas. „Was haben wir getan?“, sangen sie, „unsere Sünde ist die Wahrheit.“ Gordhan galt mit seiner strikten Fiskalpolitik als einer der wenigen verbliebenen Vertrauenspfeiler des Schwellenlands für die internationalen Finanzmärkte. Mit breiter Brust stellte er sich gegen die Korruption von Präsident Jacob Zuma, der seinen Vasallen Milliardenaufträge für den Bau von Atomkraftwerken zuschanzen will und Südafrika mit radikal erhöhten Staatsausgaben in eine Schuldenkrise treiben wird. Gordhan blockierte die Pläne. 15 Monate hielt er sich auf seinem Posten. Doch am Freitag wurde er schließlich zum Opfer eines beispiellosen Plots von Zuma.

Amtierender Finanzminister ist seit Freitag der bisherige Innenminister, Malusi Gigaba, ein früherer Lehrer, der anstelle von Finanzerfahrung die in Südafrika weit nützlichere Qualifikation blinder Zuma-Loyalität bewiesen hat. Nebenbei besetzte Zuma gleich neun weitere Ministerposten und damit fast ein Drittel seines Kabinetts neu. Bei den Entlassenen handelt es sich praktischerweise fast ausschließlich um parteiinterne Kritiker.

Der Rand verliert

Schockwellen verbreitet dabei aber vor allem die Personalie Gordhan, die Zuma mit seiner Politik des „radikalen sozioökonomischen Wandels“ erklärte. Der Rand verlor bis zum Freitagmittag im Vergleich zum Vortag fünf Prozent zum Dollar. Die Bank-Aktien sanken in ähnlicher Größenordnung. Gordhans Entlassung hatte sich seit Wochenbeginn angedeutet, als er zusammen mit seinem Stellvertreter Mcebisi Jonas von einer Investorenreise in England zurückbeordert wurde. Zuma berief sich parteiintern auf einen vermeintlichen Geheimdienstbericht mit dem Titel „Operation Checkmate“, dem zufolge Gordhan den Sturz der Regierung mithilfe internationaler Banken geplant habe.

Als „absoluten Unsinn“ bezeichnete der angebliche Hochverräter den Bericht und bekam erstaunlich offene Rückendeckung aus der Regierungspartei African National Congress (ANC), die Zumas Skandale bisher skandalös stoisch ertragen hatte. Vizepräsident Cyril Ramaphosa positionierte sich deutlich wie nie gegen Zuma und sprach von „substanzlosen Vorwürfen“, die „absolut inakzeptabel seien“. Gordhan habe dem Land herausragend gedient. Zuma hatte Ramaphosa und die fünf weiteren Mitglieder der ANC-Führungsspitze bei einer Dringlichkeitssitzung vor vollendete Tatsachen gestellt. Konsterniert sagte tags darauf der sonst auf Einigkeit bedachte Generalsekretär, Gwede Mantashe, die Liste der entlassenen Minister sei „irgendwo anders entwickelt worden“, also außerhalb der Parteistrukturen.

Damit stärkt Mantashe jene, die Zuma als Marionette der Guptas sehen. Die indische Unternehmerfamilie hat Verwandte des Präsidenten in ihre Geschäftsstrukturen eingebunden und würde voraussichtlich von dem Bau der Atomkraftwerke profitieren. Ein Bericht der Ombudsfrau des Parlaments kam 2016 zu dem Schluss, dass die Guptas Zuma bei der Besetzung von Regierungsposten beeinflussen. Dazu passt die Darstellung des nun entlassenen Vizefinanzministers Jonas unter Eid, ihm seien 2015 von einem Angehörigen der Familie der Aufstieg zum Minister und umgerechnet 40 Millionen Euro Schmiergeld versprochen worden – wenn er im Sinne des Konzerns handeln werde.

Die Exfrau als Nachfolgerin?

Zuma überstand auch diesen Skandal. Zum Ende seiner Präsidentschaft pokert er jedoch so hoch wie nie zuvor. Er versucht, seine Exfrau Nkosazana Dlamini-Zuma, bis vor wenigen Wochen erfolglose Vorsitzende der Afrikanischen Union, beim ANC-Wahlparteitag im Dezember als Nachfolgerin an der Spitze der Partei und später auch des Landes zu installieren. Von ihr erwartet der 74-Jährige weniger politischen Willen, seine anhängigen Korruptionsdelikte aufzuarbeiten als von Ramaphosa, der als Hauptkonkurrent gilt und in Wirtschaftskreisen hoch angesehen ist. Zuma spürt, dass die Unterstützung schwindet. Die Agentur Reuters zitiert hochrangige Parteiquellen, denen zufolge er als Gegenleistung für die Gordhan-Entmachtung seinen Rücktritt als Präsident schon im Jahr 2018, also ein Jahr vor dem Ende seiner Amtszeit, in Aussicht gestellt habe. Das könnte womöglich eher vonstatten gehen. Die Opposition hat am Freitag den Antrag auf ein Misstrauensvotum angekündigt. Für die Abwahl Zumas reicht die einfache Parlamentsmehrheit, neben den Oppositionsparteien müssten dafür auch 50 der 249 ANC-Abgeordneten gegen ihn stimmen. Das galt lang als Utopie – bis zur Entlassung Gordhans.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2017)

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