Ein Wutanfall des US-Präsidenten sollte nicht als Vorwand für einen Krieg dienen, kritisiert Frankreichs Außenminister. Trump hatte nach dem Giftgasangriff in Syrien ein militärisches Einschreiten nicht mehr ausgeschlossen.
Die unklare Haltung der US-Regierung in der Syrien-Krise nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff irritiert die Verbündeten. Die Außenminister von Deutschland, Frankreich und Großbritannien appellierten, die Konsequenzen aus dem Vorfall im Rebellengebiet müssten von den UN beschlossen werden. Am kritischsten äußerte sich Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault: Er bekomme unterschiedliche Signale von US-Außenminister Rex Tillerson und Verteidigungsminister James Mattis. "Sie sagen nicht das Gleiche", sagte Ayrault dem Sender Cnews.
Zuvor hatten US-Präsident Donald Trump und sein Vize Mike Pence einen Schwenk in der Syrien-Strategie der USA angekündigt: Nach dem jüngsten Giftgasangriff im syrischen Bürgerkrieg schließt Washington ein militärisches Eingreifen nicht mehr aus. "Alle Optionen sind auf dem Tisch", sagte US-Vizepräsident Mike Pence am Mittwochabend (Ortszeit) dem US-Fernsehsender Fox News. Es sei Zeit, dass Russland die aus dem Jahr 2013 stammende Verpflichtung erfülle, alle chemischen Waffen in Syrien zu eliminieren
"Was gestern geschehen ist, ist für mich nicht akzeptabel", deutete am Mittwoch auch Trump ein mögliches militärisches Eingreifen an. Seine Einstellung gegenüber dem syrischen Machthaber Bashar al-Assad habe sich geändert. Mit dem Angriff auf Khan Sheikhoun, bei dem 86 Menschen starben, habe Assad "eine ganze Reihe von Linien überschritten". Die syrische Regierung werde "auf jeden Fall" ein Zeichen bekommen.
Trump will militärische Schritte nicht verraten
Der Angriff am Dienstag auch auf Frauen, Kinder und Babys sei entsetzlich und furchtbar. Dieser "Affront gegen die Menschlichkeit des Assad-Regimes kann nicht toleriert werden". Welche Konsequenzen es genau geben werde, ließ der US-Präsident offen. Zu einem möglichen Militärschlag sagte er, es sei Teil seiner Politik, militärische Schritte im Vorfeld nicht zu verraten.
Ayrault sprach sich dagegen klar für eine nicht-militärische Lösung und weitere Gespräche im UN-Sicherheitsrat aus. Der erste Schritt müsse sein, über eine Resolution abzustimmen und die Friedensgespräche in Genf wieder aufzunehmen. "Er besteht nicht darin, selbst einzusteigen", sagte er. "Dass der US-Präsident möglicherweise eine Art Wutanfall bekommen hat, sollte uns nicht als Vorwand dienen, auf den Kriegspfad zu gehen." Auch der britische Außenminister Boris Johnson und sein deutscher Amtskollege Sigmar Gabriel betonten die Wichtigkeit, vor einem Alleingang erst einmal zu versuchen, eine UN-Resolution zu erzielen.
Syriens Außenminister zeigt sich skeptisch
Russland hält nach wie vor klar zu seinem Verbündeten Assad. Laut Moskau haben die syrischen Regierungstruppen nicht selbst Giftgas eingesetzt. Die syrische Luftwaffe habe vielmehr ein von Rebellen genutztes Lager mit Giftstoffen getroffen, teilte das russische Verteidigungsministerium mit.
Diese Version der Geschehnisse wurde am Donnerstag auch vom syrischen Außenminister Walid al-Mualem verbreitet: Die syrische Luftwaffe habe ein Munitionslager angegriffen, das der jihadistischen Nusra-Front gehört habe. Zugleich reagierte Mualem mit Skepsis auf den Vorschlag, eine internationale Untersuchung des Giftgas-Vorfalls einzuleiten. Frühere Erfahrungen seien „nicht ermutigend“ gewesen. Derartige Ermittlungen dürften nicht politisch missbraucht werden und müssten ihren Ursprung in Damaskus haben. Er deutete an, nur unter diesen Bedingungen einer Untersuchung zuzustimmen.
Für die Türkei hingegen steht fest: Die Truppen von Machthaber Bashar al-Assad stünden hinter der Attacke. Die ersten Analysen ließen darauf schließen, dass die Opfer des Luftangriffs in Khan Sheikoun dem chemischen Kampfstoff Sarin ausgesetzt gewesen seien, erklärte das türkische Gesundheitsministerium am Donnerstag.
Schlingerkurs der Trump-Regierung
Die Aussagen, die bisher von der Trump-Regierung zu Syrien gekommen sind, wirken wie ein Schlingerkurs. Noch vor einigen Tagen war das Signal aus Washington gekommen, dass ein Rücktritt des syrischen Machthabers Assad nicht mehr Priorität habe. Wenige Tage später sagte die UNO-Botschafterin der USA, Nikki Haley, jedoch: Das syrische Volk habe genug von Assad. Jetzt drohte Haley mit einem Alleingang der USA, sollte Russland eine Verurteilung Syriens im UNO-Sicherheitsrat blockieren.
Die Politik, nicht unbedingt auf eine Ablöse Assads zu pochen, war de facto schon von Trumps Vorgänger Barack Obama betrieben worden. Nach einem verheerenden Giftgasangriff auf einen Vorort der Hauptstadt Damaskus im August 2013 machte Washington das Regime dafür verantwortlich. Damit war die "rote Linie", die zuvor Obama gezogen hatte, überschritten worden.
Die USA drohten mit Luftangriffen. Massive Luftschläge zum damaligen Zeitpunkt hätten das Assad-Regime aus der Hauptstadt Damaskus vertreiben können. Denn die Vororte von Damaskus waren fest in den Händen der Aufständischen. Und die Rebellen drohten, weiter ins Zentrum vorzurücken. Nach einem Deal mit Russland über eine Abrüstung der syrischen Chemiewaffen, sah die Obama-Regierung aber von Luftschlägen ab. Der militärische Sturz Assads hatte offenbar keine Priorität mehr.
Assad: Keine Hoffnung auf Friedenslösung
Assad selbst sagte, er sehe im Bürgerkrieg keinen Spielraum mehr für eine Verhandlungslösung. "Es gibt keine andere Option als den Sieg", sagte Assad in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview mit der kroatischen Zeitung "Vecernji List". Seine Regierung könne mit den Oppositionsgruppen, die an den jüngsten Friedensgespräche beteiligt gewesen seien, keine Resultate erzielen.
Der UNO-Sicherheitsrat verschob indes die geplante Abstimmung über eine Resolution zu dem mutmaßlichen Giftgasangriff in Syrien. Wie Diplomaten am Mittwochabend in New York mitteilten, könnte die Abstimmung nun am Donnerstag stattfinden. Der von den USA, Großbritannien und Frankreich eingebrachte Resolutionsentwurf verurteilt den Angriff und fordert eine baldige Untersuchung.
Russland, ein enger Verbündeter Syriens, hatte sein Veto dagegen angekündigt. Der vorgelegte Entwurf sei "grundsätzlich unannehmbar", sagte die Moskauer Außenamtssprecherin Maria Sacharowa. Er greife den Ergebnissen von Ermittlungen voraus und benenne schon jetzt "die Schuldigen".
(APA/Reuters/dpa/red.)