Trumps syrische Warnung

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Der Raketenhagel auf ein syrisches Flugfeld markiert eine rote Linie, die Präsident Trump notfalls militärisch zu verteidigen gedenkt. Ob sein Denken über den Syrienkrieg sich grundlegend geändert hat, ist allerdings fraglich.

Washington. 20.40 Uhr war es beim amerikanisch-chinesischen Staatsbankett in Florida, und 4.40 Uhr in Syrien, als über dem Luftwaffenstützpunkt Shayrat nahe der Stadt Homs ein infernaler Feuersturm von 59 Tomahawk-Marschflugkörpern mit jeweils einer knappen halben Tonne TNT-Sprengstoff niederging. Nach drei bis fünf Minuten, gab das Pentagon kurz danach bekannt, war das Bombardement vorüber. Eine der beiden Landebahnen, Luftschutzbunker, Treibstofflager, Munitionsdepots, Flugabwehrkanonen sowie Radaranlagen und eine unbestimmte Zahl syrischer Kriegsflugzeuge wurden zerstört. Die Zahl der Todesopfer war bis auf Weiteres nicht unabhängig feststellbar. Das syrische Militär erklärte, sieben Menschen seien getötet worden.

Der Stützpunkt Shayrat war laut dem amerikanischen Militärgeheimdienst jene Basis, von der aus am Dienstag ein syrisches Kampfflugzeug aufgebrochen war, um einen Giftgasangriff auf die Stadt Khan Sheikhoun auszuführen; das Pentagon veröffentlichte am Donnerstag eine Grafik, welche den Pfad dieses Flugzeugs anhand seiner Radarkennung nachzeichnete. Rund 80 Menschen wurden dabei getötet, laut ersten Obduktionsberichten und den Symptomen der Überlebenden dürfte es sich um das Nervengas Sarin gehandelt haben, dessen Kampfeinsatz international verboten ist.

Spätnachts, das Bankett mit Chinas Staatspräsident, Xi Jinping, im Millionärsklub Mar-a-Lago war bereits beendet, trat Präsident Donald Trump an ein kahles Rednerpult und begründete den ersten großen Militärschlag seiner Amtszeit: „Es ist im zentralen nationalen Sicherheitsinteresse der Vereinigten Staaten, die Verbreitung und Verwendung tödlicher Chemiewaffen zu verhindern und abzuwenden.“ Die Fernsehbilder vergifteter Kinder hatten ihn offenkundig zu einem Angriff auf Syriens Militär bewogen, vor dem er seinen Vorgänger, Barack Obama, im September 2013 noch dringend gewarnt hatte, nachdem koordinierte Giftgasangriffe in Vorstädten von Damaskus mehr als 1000 Menschen umbrachten. „Kein Kind Gottes sollte jemals so einen Horror erleben müssen“, sagte Trump.

Drohbotschaft an Nordkorea und Iran

Hat der Präsident seine Sichtweise auf den seit sechs Jahren tobenden Krieg in Syrien geändert? Das ist vorerst nicht zu erkennen. Trump bezog sich in seiner kurzen Stellungnahme in der Nacht auf Freitag ausschließlich auf den Chemiewaffeneinsatz durch die Streitkräfte von Präsident Bashar al-Assad. Ein Aufruf zur Absetzung Assads, wie ihn Obama gebetsmühlenhaft erhob, kam Trump nicht über die Lippen.

Taktisch jedoch nutzt der Tomahawk-Angriff Trump sowohl innen- als auch außenpolitisch. Jene republikanischen Senatoren wie John McCain, Lindsey Graham oder Marco Rubio, die mit skeptischen Zwischenrufen immer wieder für Irritation im Weißen Haus sorgten, schwenkten nun geschlossen in Trumps Lager. Seitens der Demokraten hörte man nur niederschwelliges Murren darüber, dass Trump den Kongress nicht vorab mit seinen Angriffsplänen befasst habe (das ist übrigens der Grund, weshalb Trump vom „zentralen nationalen Sicherheitsinteresse“ sprach: Dieses erlaubt ihm eigenhändiges militärisches Handeln mit nachheriger Unterrichtung des Kongresses). Außenpolitisch machte Trump klar, dass er die Verletzung sicherheitspolitischer roter Linien mit Gewalt zu ahnden bereit ist: anders als sein Vorgänger Obama. Die Regime in Pjöngjang und Teheran – Trumps erklärte Erzfeinde – dürften nun einiges zu bedenken haben. Die amerikanische UN-Botschafterin Nikki Haley drohte gestern mit weiteren Luftschlägen gegen Assad.

Bahn frei für neuen Höchstrichter

An der Fähigkeit des Assad-Regimes, Chemiewaffen gegen die eigenen Bürger einzusetzen, hat der Angriff auf Shayrat nichts geändert. ABC News berichtete, die Syrer hätten vor dem Angriff Personal, Ausrüstung und Flugzeuge von der Basis wegtransportiert.

Doch für Trumps kriselnde Präsidentschaft war der Donnerstag auch abseits der Weltpolitik erfolgreich: Der Senat bestätigte am Freitag mit einfacher Mehrheit Neil Gorsuch, Trumps Kandidaten für den vakanten neunten Höchstrichterposten, nachdem die Republikaner tags zuvor die Geschäftsordnung geändert und die Sperrminderheit von 40 Stimmen abgeschafft hatten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.04.2017)

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