Princeton-Professor Stephen Kotkin im "Presse"-Interview zu den gegenwärtigen Verschiebungen auf dem Schachbrett der Geopolitik.
Die Presse: In was für einer Epoche stecken wir zur Zeit, Herr Professor? Befinden wir uns in der Ära nach dem Kalten Krieg oder stecken wir mitten drinnen im Zweiten Kalten Krieg?
Stephen Kotkin: Wir befinden uns noch immer in der Folgezeit der 1940er-Jahre. Damals entstand eine neue internationale Ordnung, die auf weithin anerkannten Regeln basiert. Simultan vollzog sich eine Kalter Krieg, aber der ist mehr oder weniger beendet. Es gibt zwar noch die angespannte Situation auf der koreanischen Halbinsel und einige andere ungelöste Konflikte aus der Zeit des Kalten Krieges, aber dieser Krieg ist beendet, weil eine Seite kapituliert hat.