Maiaufmarsch gegen Le Pen: Krawalle in Paris

Demonstranten bewarfen Polizisten mit Molotow-Cocktails, ein Beamter erlitt schwere Verletzungen im Gesicht.
Demonstranten bewarfen Polizisten mit Molotow-Cocktails, ein Beamter erlitt schwere Verletzungen im Gesicht. APA/AFP/ZAKARIA ABDELKAFI
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Marine Le Pen präsentiert sich kurz vor der Wahl als Anti-Kapitalistin und gibt sich in Euro-Fragen weicher. Die Linke hingegen macht gegen sie Stimmung. In Paris flogen bei einer Anti-Le-Pen-Demo Molotow-Cocktails.

Paris. In Frankreich stand der 1. Mai ganz im Zeichen der Präsidentschaftsstichwahl am kommenden Sonntag: Während Gewerkschaften und Linke in ihren Kundgebungen dazu aufriefen, Marine Le Pen zu stoppen, kämpfte die Front-National-Kandidatin um eine breitere Wählerbasis. Diese polarisierte Stimmung wurde von Krawallen am Rande einer Anti-Le-Pen-Demo zusätzlich angeheizt. Vermummete Demonstranten bewarfen am Nachmittag Polizisten mit Molotow-Cocktails und verletzten vier Beamte. Die Sicherheitskräfte mussten Tränengas einsetzen. Die Front-National-Chefin reagierte prompt mit Wahlkampfslogans: „Dieses Chaos und diesen Laxismus will ich nicht mehr auf unseren Straßen sehen“, schrieb sie auf Twitter.

Sonst gab sie am „Tag der Arbeit“ ganz die Anti-Kapitalistin. Ihren Kontrahenten, den sozialliberalen Emmanuel Macron, präsentierte Le Pen dabei als „Vertreter der Finanzwelt“. In Villepinte bei Paris rief sie ihren jubelenden Anhängern zu: „Ich rufe euch auf, die Arroganz und die Herrschaft des Geldes zu verhindern. Die Finanzwelt hat ein Gesicht – das ist Emmanuel Macron.“ Der frühere Banker und Wirtschaftsminister werde „von Milliardären“ unterstützt.

„Einen weichen Euro-Austritt“

Glaubt man den Umfragen, kann der parteilose Macron am Sonntag mit einem deutlichen Sieg rechnen. Um ihren Rückstand aufzuholen, schließt Le Pen nun neue Allianzen und setzt gemäßigtere Akzente: Der Pakt mit dem rechten Nicolas Dupont-Aignan geht genau in diese Richtung: Le Pen will den Europa-Kritiker, der am 23. April nur knapp fünf Prozent der Stimmen erhalten hat, zum Premier machen. Für den FN ist diese Wahlallianz von großer Bedeutung: Bisher hieß es immer, die extreme Rechte habe keine Partner und Stimmenreservoirs. Auch „Avenir pour tous“, eine einflussreiche ultrakonservative religiöse Bewegung, hat sich nun hinter das Duo gestellt.

Stimmen will Le Pen aber auch bei Wählern dazugewinnen, denen ihre Pläne zum Euro-Ausstieg zu weit gehen. Bei einer Umfrage Ende März gaben nur 28 Prozent der Befragten an, zum Franc zurückkehren zu wollen. Bei Pensionisten und über 65-Jährigen – für die Rechtspopulistin eine wichtige Wählergruppe – waren sogar nur 15 Prozent dafür. Diese Gruppe will Le Pen nun durch ihre neue Allianz überzeugen: So steht im Abkommen mit Dupont-Aignan, dass der Euro-Ausstieg gar nicht „oberste Priorität“ habe. Le Pen schlägt stattdessen eine Art „weichen Ausstieg“ vor: Sie will „mehrmonatige Gespräche mit unseren europäischen Partnern, am Ende der Verhandlungen werde ich den Franzosen die Entscheidung anvertrauen“. Am Montag gab sich Le Pen aber wieder etwas härter: Der Euro-Ausstieg sei weiterhin ihr Ziel, versicherte sie. Sie bekräftigte aber, dass in der Wirtschaftspolitik viele Maßnahmen ergriffen werden könnten „die nicht mit der Währung zusammenhängen“.

Macron versprach indes, „bis zur letzten Sekunde gegen Le Pens Ideen von Demokratie zu kämpfen“. Auch der neue Shooting-Star der Linksaußen-Bewegung, Jean-Luc Mélenchon, sprach sich am Montag klar gegen Le Pen aus – eine Wahlempfehlung für Macron gab er aber nicht ab: Mélenchon war im ersten Wahlgang auf dem vierten Platz gelandet. Seine sieben Millionen Wähler könnten bei der Stichwahl eine wichtige Rolle spielen.

„Ich sage zu allen, die mir zuhören: Begeht nicht den schrecklichen Fehler, eine Stimme für den Front National abzugeben“, sagte Mélenchon. Ob er Macron oder gar nicht wählen will, sagte er nicht. Unter den Mélenchon-Anhängern gibt es viele, die sich bei der Stichwahl lieber enthalten wollen, als für Macron zu stimmen. Die Macron-Frage spaltet auch die großen Gewerkschaftsdachverbände, CGT und CFDT, die deshalb getrennt marschierten: CFDT ruft dazu auf, Macron zu wählen. Die CGT und andere Organisationen dagegen wollen sich nicht auf einen Kandidaten festlegen lassen, der für liberale Reformen im Stil der umstrittenen Arbeitsrechtsreform ist.

Keine breite Front gegen Le Pen

In den letzten Tagen häuften sich zwar die Appelle von Prominenten zu Gunsten von Macron. So haben namentlich ehemalige Deportierte und Widerstandskämpfer gegen die Nazis eindringlich vor der extremen Rechten gewarnt. Doch auch in der zweiten Woche vor der Stichwahl am 7. Mai zeichnet sich keine breite Einheit gegen die Rechte ab, wie sie Frankreich 2002 erlebt hatte, als Jean-Marie Le Pen gegen Jacques Chirac in die Schlussrunde gekommen war. Eine Reihe von Studenten- und Schülerdemonstrationen mit dem Slogan „Weder Le Pen noch Macron“ haben gezeigt, dass es für viele enttäuschte Linkswähler offenbar ausgeschlossen ist, die Stimme einem Sozialliberalen zu geben – selbst wenn sie damit rechnen müssen, dass am Ende die Rechtspopulistin Le Pen von dieser Neutralität profitieren könnte.

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