Erstmals seit 1974 verliest Königin Elizabeth II. das britische Regierungsprogramm ohne großes Zeremoniell. Inhaltlich dreht sich vieles um den Brexit.
Die Queen's Speech, auf Deutsch Ansprache der Königin, eröffnet in Großbritannien traditionell die Sitzungsperiode des Parlaments. Während einer feierlichen und streng geregelten Zeremonie liest Königin Elizabeth II. auf einem Thron sitzend das Regierungsprogramm vor. Sie hat keinen Einfluss auf den Inhalt dieser Rede, die von der Regierung verfasst wird.
Die Queen's Speech ist die einzige Gelegenheit, bei der Unterhaus, Oberhaus und Monarchin offiziell zusammentreffen. Diesmal ist der Ablauf etwas weniger formell als sonst. Die Königin verzichtet auf die pompöse Kutschfahrt zum Westminster-Parlament und wird stattdessen mit dem Auto zu der Zeremonie gefahren. Statt Krone und feierlicher Robe werde sie einen Hut und ein normales Kleid tragen, teilte der Buckingham-Palast mit. Grund dafür sei die enge zeitliche Abfolge zahlreicher offizieller Termine. Zuletzt hatte es 1974 eine solche weniger formelle Zeremonie gegeben.
Zu den vielen mit der Queen's Speech verbundenen Traditionen gehört, dass das Unterhaus einem Gesandten des Oberhauses die Tür vor der Nase zuschlägt, um seine Unabhängigkeit zu demonstrieren. Die Rede beginnt um 12.30 mitteleuropäischer Zeit und wird von BBC One live übertragen. Im Anschluss an die Queen's Speech diskutiert das Parlament in der Regel mehrere Tage über ihren Inhalt und stimmt schließlich ab.
Die Regierung hat die nächstjährige Queen's Speech bereits abgesagt, denn das heute verlesene Programm ist auf zwei Jahre ausgelegt. Inhaltlich wird sich vieles um den Brexit, den Aussteig Großbritanniens aus der EU, drehen. Im Zentrum dabei steht die "Great Repeal Bill", die ein Gesetz aus dem Jahr 1972 wiederrufen soll, das etwa die Gerichtsbarkeit des Europäischen Gerichtshof regelt. Manche EU-Gesetze müssen allerdings auch ins britische Gesetz übertragen werden, um weiterhin Gültigkeit zu haben. Premierministerin Theresa May kündigte eine Rede an, die sich darum drehe, die Chancen zu ergreifen, die vor dem Vereinten Königreich liegen, wenn es die EU verlässt.
"Hung Parliament"
In diesem Jahr ist die Abstimmung über die Queen's Speech eine besonders harte Nagelprobe. Denn die Wahl am 8. Juni hat ein "hung parliament" - ein "Parlament in der Schwebe" - hervorgebracht, in dem keine Partei eine absolute Mehrheit hat.
Rein rechnerisch braucht eine Regierung mindestens 326 der 650 Sitze im Parlament. In der Praxis sieht das aber anders aus. Die nordirisch-republikanische Sinn Fein hat 7 Sitze gewonnen, schickt jedoch traditionell keine Abgeordneten nach London. Also reichen schon weniger Mandate als die genaue Hälfte der Sitze für eine "Arbeits-Mehrheit" aus.
Die Konservativen von Premierministerin Theresa May kamen nur auf 318 Sitze. Deshalb wollen sie nun mit der Unterstützung der 10 nordirischen DUP-Abgeordneten eine Minderheitsregierung führen.
Diese Abstimmung über das Regierungsprogramm ist de facto eine Vertrauensabstimmung für die neue Regierung. Sollte sie scheitern, hätte die Gegenseite - also Jeremy Corbyns Labour-Partei - das Recht auf den nächsten Versuch.
(APA/dpa)