Raketentest erfolgreich? Nordkoreas Geschoss hätte Alaska treffen können

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Hat Pjöngjang tatsächlich eine Interkontinentalrakete getestet, könnte das Regime erstmals das US-Festland bombardieren. Trump ist erbost: "Kann dieser Typ mit seinem Leben nichts Besseres anfangen", kritisiert er Diktator Kim.

Nordkorea hat nach eigenen Angaben erstmals erfolgreich eine Interkontinentalrakete getestet Die Rakete des Typs Hwasong-14 habe nach dem Start eine Höhe von 2802 Kilometern erreicht und sei 933 Kilometer weit geflogen. Das Geschoss habe sein Ziel nach genau 39 Minuten Flugzeit präzise getroffen, teilte der international nahezu völlig isolierte Staat am Dienstag mit. Nordkorea habe damit die Fähigkeit, überall auf der Welt Ziele mit Raketen zu treffen. Der Machthaber Kim Jong-un habe den Start persönlich verfolgt.

Stimmen die Angaben, wäre das Regime seinem Ziel, eine Langstreckenrakete zu entwickeln, mit der atomare Sprengköpfe bis in die USA getragen werden können, einen großen Schritt näher - und hätte damit seine Verhandlungsposition im Konflikt mit den USA drastisch gestärkt. Der Sicherheitsexperte David Wright von der in den USA ansässigen Wissenschaftler-Organisation Union of Concerned Scientists schrieb in einem Blogbeitrag, wenn die Angaben stimmten, könne die getestete Rakete eine Reichweite von etwa 6700 Kilometern erzielen. "Das würde nicht ausreichen, um die unteren 48 US-Staaten oder die großen Inseln von Hawaii zu erreichen, aber es würde genügen, um Alaska zu treffen", erklärt er.

Der Militärexperte Kim Dong Yub von der Kyungnam Universität in Seoul sagte, in einem bestimmten Winkel abgeschossen, könne die Rakete sogar mehr als 8000 Kilometer weit fliegen. Allerdings seien noch mehr Details nötig, um bewerten zu können, ob Nordkorea wirklich die für eine Interkontinentalrakete nötige Technologie erlangt habe.

Test zum US-Unabhängigkeitstag

Nach Informationen des südkoreanischen Militärs wurde die ballistische Rakete in Panghyon im Westen Nordkoreas gestartet und landete in Japans exklusiver Wirtschaftszone - einer 200-Meilen-Zone vor der Küste. Das Verteidigungsministerium in Moskau ging laut RIA nach den ihm vorliegenden Daten allerdings davon aus, dass nur eine ballistische Mittelstreckenrakete erprobt wurde. Sie habe eine Höhe von 535 Kilometer erreicht und sei etwa 510 Kilometer weit geflogen, ehe sie vor Japan ins Meer gestürzt sei. Für Russland habe der Test keine Bedrohung dargestellt. Südkoreas Präsident Moon Jae In berief den Nationalen Sicherheitsrat ein. Auch er sagte, dass vermutlich eine Mittelstreckenrakete getestet worden sei. Das Militär prüfe aber, ob es sich um eine Interkontinentalrakete gehandelt habe. 

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Pjöngjang wählte für seinen selbst verkündeten Erfolg einen symbolischen Zeitpunkt: Der jüngste Test erfolgte vor den Feiern zum US-Unabhängigkeitstag am 4. Juli. "Ich vermute irgendwie, dass sie genau deshalb heute etwas Feuerwerk abgebrannt haben", sagte der US-Atomwaffenexperte Shea Cotton. Nordkorea unterstellt Washington regelmäßig eine feindselige Politik.

US-Präsident Donald Trump reagierte in einer ersten Reaktion erbost. Er forderte China als Nordkoreas engsten Verbündeten auf, den "Unsinn" mit entschiedenen Schritten "ein für alle Mal zu beenden". "Kann dieser Typ mit seinem Leben nichts Besseres anfangen", schrieb der Präsident mit Blick auf Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un auf Twitter.

Der Streit mit dem kommunistisch regierten Land gilt als einer der weltweit gefährlichsten Konflikte. Die Lage in der Region ist nach mehreren Tests ballistischer Raketen durch Nordkorea, darunter Mittelstreckenraketen, sowie Marschflugkörpern in den vergangenen Monaten sehr angespannt. Ballistische Raketen sind in der Regel Boden-Boden-Flugkörper, die je nach Bauart konventionelle, biologische, chemische oder sogar atomare Sprengköpfe ins Ziel befördern können.

Sanktionen der Vereinten Nationen verbieten es Nordkorea, Raketen zu testen oder zu entwickeln. Dennoch hat die Führung in Pjöngjang vor allem seit Anfang vergangenen Jahres Raketen in bislang nie dagewesener rascher Folge getestet. Auch Atombomben wurden getestet. Experten zufolge ist Nordkorea allerdings noch Jahre davon entfernt, eine Interkontinentalrakete mit einem nuklearen Sprengkopf bestücken zu können.

Tokio nennt Provokation inakzeptabel

China rief zur Zurückhaltung auf. Die UN-Resolutionen hätten die nordkoreanischen Raketentests klar geregelt und China lehne es ab, dass gegen diese Regeln vorgegangen werde, sagt Außenamtssprecher Geng Shuang in Peking.

Die Regierung in Tokio erklärte, solche wiederholten Provokationen seien absolut inakzeptabel: "Der Start einer ballistischen Rakete ist ein klarer Verstoß gegen die Resolutionen des UN-Sicherheitsrates." Japans Regierungschef Abe sagte, er werde beim Treffen der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer in Hamburg die Präsidenten von China und Russland aufrufen, beim Versuch, Nordkoreas Rüstungsprogramm zu stoppen, eine konstruktivere Rolle zu spielen. Xi Jinping und Wladimir Putin werden ebenso wie Abe und Trump in der Hansestadt erwartet. Japans Regierung hatte bereits am Montag einen Dreiergipfel mit Südkorea und den USA angekündigt, bei dem es um Nordkorea gehen soll.

Erst vergangene Woche hatten Trump und sein südkoreanischer Kollege Moon in Washington über den Streit mit Nordkorea beraten. Trump forderte eine entschlossene Reaktion der Staaten in der Region. Er hat auch angedeutet, dass ihm langsam die Geduld mit China ausgeht, weil die Volksrepublik nach seiner Auffassung nicht genug Druck auf Nordkorea ausübt.

(APA/dpa/Reuters/AFP/red.)

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