Trump in Polen: „Hat der Westen Überlebenswillen?“

Donald Trump (r.) mit dem polnischen Staatspräsidenten, Andrzej Duda. Bei seinem Besuch in Warschau traf der US-Präsident vor dem G20-Gipfel auf Gleichgesinnte.
Donald Trump (r.) mit dem polnischen Staatspräsidenten, Andrzej Duda. Bei seinem Besuch in Warschau traf der US-Präsident vor dem G20-Gipfel auf Gleichgesinnte.(c) REUTERS
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Der US-Präsident wurde in Warschau frenetisch bejubelt. Er revanchierte sich mit Schmeicheleien, Moskau-Kritik und Patriotraketen.

Warschau. Auf diesen Propagandaerfolg hatte Jaroslaw Kaczyński lang gewartet. „Donald! Donald!“, skandierten die Anhänger des Chefs der polnischen Regierungspartei frenetisch auf dem Warschauer Krasiński-Platz, kaum war die schwarze Limousine des US-Präsidenten vorgefahren. Hunderte waren über Nacht vor das Denkmal des Warschauer Aufstandes von 1944 gekarrt worden. Die ganze Regierung samt PiS-Parteispitze hatte sich in den Ehrenrängen versammelt, um den Worten Trumps zu lauschen.

Der US-Präsident legte zunächst einen Kranz für die Gefallenen des Aufstandes gegen die deutsche Besatzungsmacht nieder. Dann allerdings ergriff überraschend die für einen solchen Ort eher leicht und bunt gekleidete First Lady das Wort. „Alle Bürger sollen ihr Leben ohne Angst leben können, egal, wo sie leben. Dies will mein Ehemann“, sagte Melania Trump. Nicht der glücklich lächelnde Gastgeber und polnische Staatspräsident, Andrzej Duda, stellte das Präsidentenpaar vor, Trumps Gattin spielte den Conférencier. Kaczyńskis Anhänger schwiegen andächtig und warteten auf den Hauptakt.

Balsam für die polnische Seele

„Amerika liebt Polen, es liebt die Polen, wir danken euch!“, begann Trump mit einer reichlichen Ladung Balsam für die polnische Seele. Unter der von Kaczyński eingesetzten Regierungschefin, Beata Szydło, erlebt das Land seine größte Krise mit Europa seit der Wende von 1989. In der EU ist Polen mit seiner Weigerung, Rechtsstaatlichkeit und Beitrittsverträge zu achten, zum Buhmann geworden. Trump allerdings wusste, dass man ihn hier vor dem schwierigen G20-Treffen mit offenen Armen empfangen würde.

Die Rede am Denkmal für den Warschauer Aufstand von 1944 war in diesem Sinne eine gute Entscheidung, auch wenn sie Proteste der jüdischen Gemeinde provoziert hatte. Trump ist seit über 30 Jahren der erste US-Präsident, der keine Zeit für eine Kranzniederlegung beim Denkmal des Warschauer Ghettoaufstandes von 1943 gefunden hat. Dieser gilt auch der heutigen rechtspopulistischen Regierung in ihrem Geschichtsverständnis eher als Nebenschauplatz. Um einen Skandal zu vermeiden, begab sich Ivanka Trump während Rede ihres Vaters zum Ghettodenkmal und danach in das Jüdische Museum.

Derweil fand Trump die Worte, die die versammelten Regierungsanhänger hören wollten. „Es ist für mich eine große Ehre, hier vor diesem Denkmal zu stehen und sich an jene Polen zu wenden, die über Generationen von einem sicheren, starken und freien Polen geträumt haben“, sagte Trump.

Dann ein Ausrutscher: Der US-Präsident dankte dem ebenso anwesenden Lech Wałęsa – ein Buhen ging durch die Menge. Trump war sichtlich erstaunt. Offenbar hatte ihn niemand darüber aufgeklärt, dass der in den USA populäre polnische Politiker und Friedensnobelpreisträger von der heutigen Regierung als Geheimdienstspitzel diffamiert wird – und in Zukunft wohl aus den neuen, rechtskonservativen Schulgeschichtsbüchern verschwinden wird.

Doch Trump ließ sich nicht beirren. Hatte er am Vormittag bei einer Pressekonferenz noch einen verschlafenen Eindruck hinterlassen, so lief er auf dem sonnigen Krasiński-Platz zur Höchstform auf. „In Polen erkennen wir die Seele Europas“, leitete Trump zu Betrachtungen über die angebliche Gottesfürchtigkeit von Polen und Amerikanern über. Er verwies auf den (polnischen) Papst Johannes-Paul II. „Polen, Amerikaner und Europäer rufen: ,Wir wollen Gott!‘“ Und: „Polen ist das Herz Europas!“

Bekenntnis zur Beistandspflicht

Ihr Land könne, vereint mit Amerika, Europa retten, trichterte Trump seinen Zuhörern ein. „Die fundamentale Frage unserer Zeit ist, ob der Westen den Willen hat zu überleben“, sagte der US-Präsident. Auch einen Seitenhieb auf den Kreml formulierte er, der sich dem Kampf gegen Terrorismus und Extremismus doch anschließen solle, statt die Ukraine zu destabilisieren.

Schließlich bekannte sich der Amerikaner, wie von vielen mit Spannung erwartet, zum Artikel 5 des Nato-Vertrags, den Beistandsartikel – und lobte Polen ausdrücklich für den gerade beschlossenen Kauf von amerikanischen Patriotraketen. Trump schüttelte noch ein paar letzten Überlebenden des Warschauer Aufstands die Hände und ging.

Dabei hatte der knapp 14-stündige Polen-Besuch des US-Präsidenten mit einer unerfreulichen Überraschung begonnen. Ausgerechnet gegenüber seinem Hotel hatten Greenpeace-Aktivisten eine Protestbotschaft an den stalinistischen Kulturpalast gebeamt. „No Trump! – Paris Yes!“, war da in grünen Lettern zu lesen, eine Anspielung auf den von Trump aufgekündigten Klimapakt.

Auch die Treffen am Rande des von der PiS initiierten Gipfeltreffens der sogenannten „Drei-Meeres-Initiative“, einer neuen und noch unbekannten Regionalgruppe von zwölf Ländern zwischen Bulgarien und Estland, sollen dem Vernehmen nach kaum etwas Neues gebracht haben. Bisher kauft nur Polen von den USA Flüssiggas (LNG) in größeren Mengen. Als noch imaginäre Regionalmacht möchte Warschau indes die anderen Drei-Meeres-Staaten dazu animieren, sich so von der Abhängigkeit von Russland zu befreien.

Von Russland distanzierte sich übrigens auch Trump ausdrücklich, indem er Moskau „destabilisierendes Verhalten“ in Syrien und der Ukraine sowie einen möglichen Hackerangriff während des US-Wahlkampfs vorwarf. Auf die Kontakte seines eigenen Wahlstabs mit russischen Diplomaten ging er nicht ein. Innenpolitisches Signal sollte sein: Polen ist Europa, und Europa liebt mich.

Auf einen Blick

Unmittelbar vor seinem Besuch beim G20-Gipfel in Hamburg heizte US-Präsident Donald Trump in Warschau das angespannte Verhältnis zu Russland weiter an. Er kündigte Schritte gegen das „destabilisierende Verhalten“ Moskaus an, ohne auf Details einzugehen. Zudem bekannte er sich zur Nato-Beistandspflicht, die er zuvor angezweifelt hatte. Auch bei einem Besuch im Nato-Hauptquartier hatte er sich nicht ausdrücklich dazu bekannt und so die Osteuropäer verunsichert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.07.2017)

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