Monatelanger Konflikt um vier hochrangige OSZE-Posten gelöst

Bei einem Gespräch mit Kurz gab Russlands Außenminister Lawrow grünes Licht fürs OSZE-Personalpaket.
Bei einem Gespräch mit Kurz gab Russlands Außenminister Lawrow grünes Licht fürs OSZE-Personalpaket.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Informelles Ministertreffen in Mauerbach mit überraschendem Teilerfolg für österreichischen Vorsitz.

Äußerlich standen in Mauerbach die Zeichen auf Entspannung: Die Sonnenliegen im Garten des Hotels Schlosspark Mauerbach luden zum Verweilen ein, und das Wasser im Swimmingpool glitzerte tiefblau, und die Sonne beleuchtete das üppige Grün des Wienerwaldes. Doch die Diplomaten aus den 57 Teilnehmerstaaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) hatten keine Zeit für Wellness. Beim gestrigen informellen Ministertreffen sollte Raum sein für Gespräche abseits des Schlagabtauschs, wie er sich Woche für Woche in den Sitzungen des Ständigen Rates der OSZE in der Hofburg ereignet.

Die Verwerfungen zwischen Ost und West blockieren die tägliche Arbeit: Die Formulierung jeder Tagesordnung gerät zum Politikum, die Verlängerung von Missionen scheitert, um ein Budget von 139 Millionen Euro stritt man zuletzt monatelang. Zumindest ein Problem weniger hat die Organisation seit gestern.

Denn in Mauerbach einigte man sich auf die Besetzung von vier hohen OSZE-Posten – für den österreichischen Vorsitz ein dringend nötiger Erfolg zur Halbzeit. „Es herrschte eine konstruktive und gute Stimmung, und ich hoffe, dass alle zu ihrem Wort stehen“, sagte Kurz bei der Pressekonferenz. Der russische Außenminister, Sergej Lawrow, habe eine „sehr konstruktive Rolle“ gespielt.

Im Postenstreit waren in den vergangenen Monaten die Positionen von Russland, den USA und europäischen Staaten unversöhnlich aufeinandergeprallt. Offenbar lenkte Lawrow ein. „Ein Signal von einem Mann hat alles klargemacht“, sagte der ukrainische OSZE-Botschafter, Ihor Prokoptschuk, zur Nachrichtenagentur APA. „Wenn es einen Konsens geben wird, werden wir ihn nicht blockieren“, habe Lawrow gesagt. Österreichs OSZE-Sonderbeauftragter für den Vorsitz, Christian Strohal, sprach gegenüber der „Presse“ von einer „positiven Dynamik“ des Mauerbacher Treffens. „Darauf können wir aufbauen.“

Zannier wird Minderheitenbeauftragter

Wie „Die Presse“ bereits berichtete, bestand seit Längerem Einigkeit, dass der Schweizer Diplomat Thomas Greminger neuer Generalsekretär werden soll. Die Meinungen gingen bei drei weiteren Posten auseinander. Die isländische Sozialdemokratin und Ex-Außenministerin Ingibjörg Sólrún Gísladóttir ist als Direktorin für das OSZE-Menschenrechtsbüro ODIHR vorgeschlagen. Minderheitenbeauftragter soll der bisherige Generalsekretär Lamberto Zannier werden. Paris hat den Sozialisten Harlem Désir als Beauftragten für die Freiheit der Medien nominiert.

Zuletzt hatte die russische OSZE-Delegation noch den Westüberhang der Kandidaten kritisiert. Die regionale Verteilung sei ungleichmäßig, hieß es. Vertreter anderer Delegationen halten dagegen, dass es in der OSZE keine Regionalgruppen gibt, die Kandidaten nominieren. Länder, die sich unterrepräsentiert fühlen, sollten stattdessen konsensfähige Nominierungen vorschlagen. Gestern ließ sich der russische Außenminister umstimmen. Dass er auch anders kann, zeigte Lawrow, als er in gewohnt ruppiger Manier im Sitzungssaal ihn fotografierende Journalisten zur Rede stellte: „Es ist unhöflich von Ihnen, wie Sie meinen Kollegen den Rücken zuwenden.“

Formal ist die Ernennung der vier Posten erst nächsten Dienstag oder Mittwoch fix, da die 57 Außenminister auf Vorschlag der OSZE-Botschafter über die vier Besetzungen entscheiden müssen. Erst wenn es über fünf Tage hinweg keinen Einspruch im sogenannten Schweigeverfahren gibt, gelten die Personalia als angenommen.

Frustration über Vertrauenskrise

Innerhalb der OSZE ist die Frustration über die verfahrene Lage und die Vertrauenskrise hoch. Wie „Die Presse“ aus Diplomatenkreisen erfuhr, mahnten gestern mehrere kleinere europäische Staaten im Plenum den konstruktiven Dialog ein. Man müsse stärker auf Gemeinsamkeiten setzen und dürfe die Organisation nicht als Bühne für geopolitische Positionen missbrauchen. Auch Österreichs Außenminister, Sebastian Kurz, hatte seine Kollegen zu Beginn des Treffens zu „mehr Kompromissbereitschaft“ gedrängt. „Wer Interesse an einer starken OSZE hat, der muss bereit sein, Kompromisse einzugehen“, sagte er vor Journalisten.

Verschmerzen musste der österreichische Vorsitz das Nichterscheinen mehrerer Außenminister, viele Delegationen waren nur durch ihre Botschafter vertreten. Der ukrainische Außenminister, Pawlo Klimkin, fehlte, ebenso wie Deutschlands Sigmar Gabriel und die EU-Außenbeauftragte, Federica Mogherini, die sich krank meldete.

Kurz nutzte auch die Gelegenheit, um auf das Thema Extremismusbekämpfung hinzuweisen, einen Schwerpunkt, den er zu Beginn des Vorsitzes gesetzt hatte. Man müsse „gemeinsam gegen Terrororganisationen wie die PKK und andere“ vorgehen, sagte der Außenminister. Einige Staaten hätten verleugnet, dass in ihrer Mitte eine islamistische Radikalisierung stattfände. Seit der Terrorwelle sei ein Umdenken in Gang. Terrorbekämpfung ist zwar kein Kernthema der OSZE, aber dennoch stößt das Dossier im Kreis der Delegierten auf Anklang. Vielleicht, weil es in diesem Punkt einen gemeinsamen Feind gibt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2017)

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