Präsident Macron erhebt den Führungsanspruch in Europa – als Reformmotor im Tandem mit Angela Merkel und als erster Ansprechpartner von Donald Trump.
Paris. Kaum zurück aus Lausanne als Botschafter der Pariser Olympia-Kandidatur, traf sich Präsident Emmanuel Macron am Donnerstag zuerst mit Angela Merkel zum deutsch-französischen Ministerrat und gleich danach mit Donald Trump. Der Besuch des Präsidenten der USA war ihm ein wichtiges Anliegen. Er bat deshalb die deutsche Bundeskanzlerin, für die gemeinsame Regierungssitzung, die diesmal eigentlich turnusmäßig in Berlin stattfinden sollte, samt ihrer Ministerriege nach Paris zu kommen. Diese Konzession gewährte sie ihm gern. Merkel weiß, wie viel für ihn auf dem Spiel steht, und sie unterstützt ihn bisher in seinen ehrgeizigen Initiativen.
Neuer Kampfjet mit Deutschland
Gemeinsam wollen sie den deutsch-französischen Motor anwerfen und die europäische Integration vorantreiben: finanz- und vor allem auch verteidigungspolitisch. Bei ihrer Pressekonferenz gaben Merkel und Macron bekannt, dass Frankreich und Deutschland einen neuen Kampfjet entwickeln wollen. Auch eine Reform der Eurozone streben sie an. Noch in diesem Jahr werde es Schritte geben, die viele überraschen würden, sagte Merkel. Ihr Gastgeber sprach von einer ganzen Liste an Initiativen.
Macron erhebt einen neuen französischen Führungsanspruch in Europa. Das machte er gleich nach seinem Amtsantritt deutlich. Die diplomatische Agenda machte ihm mit einem Nato-Gipfel, einem G7- und eben erst dem G20-Treffen in Hamburg die Sache leicht. Außerdem empfing der frisch gewählte Staatschef seinen russischen Amtskollegen, Wladimir Putin, im Schloss von Versailles. Man erinnert sich aber vor allem an den demonstrativ kräftigen Händedruck bei der ersten Begegnung mit Trump vor den Kameras. Die Geste sollte zeigen, dass sich der junge französische Präsident in keiner Weise einschüchtern zu lassen gedenkt.
Als Trump das Pariser Klimaabkommen im Weißen Haus zum Altpapier legte, kritisierte Macron dies eben mit großer Härte und wandelte Trumps Slogan „Make America great again“ in einen neuen Kampfruf um: „Make the Planet great again!“ Er unterstrich bei mehreren Gelegenheiten, wie sehr er den von Trump gewünschten Protektionismus als „Zwillingsbruder des Nationalismus“ verurteilt. Denn dieser Rückzug vom multilateralen Parkett führe letztlich zum Krieg. Macron steht diesbezüglich ganz in der Tradition von Mitterrand, der 1995 in seiner letzten Ansprache als europapolitisches Vermächtnis den jüngeren Generationen eingeschärft hat: „Nationalismus, das ist Krieg.“
US-Präsident auf dem Eiffelturm
Ganz so dramatisch soll es mit Trump trotz der Differenzen in Klima- oder Handelsfragen nicht werden. Macron sucht nicht die Konfrontation, sondern das Gespräch. Darum packte er bei der Feier zum Kriegseintritt der USA vor hundert Jahren die Gelegenheit beim Schopf: Er hat neben einer Delegation US-Soldaten, die am 14. Juli neben den französischen Truppen auf der Avenue des Champs-Élysées paradieren, auch den US-Präsidenten zum Nationalfeiertag eingeladen. Und am Donnerstagabend lockte er ihn mit einem Diner auf dem Eiffelturm.
Macron profiliert sich so – nicht zuletzt auf Kosten der britischen Premierministerin, Theresa May – als erster direkter und dennoch anspruchsvoller Gesprächspartner der USA in Europa. Beim Klimawandel hofft er, den sturen Trump einfach umgehen zu können und „Städte, Bundesstaaten und die Unternehmer in Amerika davon zu überzeugen, uns zu folgen“, ob das der Staatschef billige oder nicht, sagte er in einem Interview.
Protestfreie Zone für Trump
Nichts garantiert ihm, dass Trump seine Meinung ändern könnte, wenngleich dieser gestern andeutete, beim Klimaabkommen „könnte etwas passieren“. Macron pokert wie immer und geht auch dieses Mal ein hohes Risiko ein. Trump ist in seinem eigenen Land durch die Untersuchung der Russland-Connection geschwächt und in Frankreich alles andere als populär. Laut Informationen aus Washington mussten die Pariser Gastgeber versprechen, dass Trump nicht durch feindselige Massenkundgebungen irritiert werde.
Beim Arbeitstreffen wurden auch die wirklich strittigen Punkte ausgeklammert. In Bereichen wie Kampf gegen den Terrorismus dagegen konnten die beiden Staatspräsidenten bei einer Medienkonferenz problemlos Gemeinsamkeiten unterstreichen. Der erste Punkt geht an Macron. Doch auch Trump hat gegenwärtig nur zu gewinnen, wenn er nicht permanent Feindseligkeit auslöst. Mehr dazu >> Trump und Macron zwischen Verständigung und Uneinigkeit
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.07.2017)