Hamas bleibt auf der Terrorliste der EU

Seit 2007 führten Kämpfer der Palästinenserorganisation Hamas drei Kriege gegen Israel.
Seit 2007 führten Kämpfer der Palästinenserorganisation Hamas drei Kriege gegen Israel. (c) REUTERS (MOHAMMED SALEM)
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Luxemburger Höchstrichter machen Streichung durch untergeordnetes Gericht rückgängig.

Luxemburg/Kairo. Die radikale palästinensische Hamas-Bewegung bleibt vorerst auf der Terrorliste der Europäischen Gemeinschaft. Das entschied am 26. Juli in Luxemburg der Europäische Gerichtshof (EuGH). Das Verfahren war ins Rollen gekommen, als vor drei Jahren das untergeordnete Gericht der Europäischen Union (EuG) die seit 2001 geltende Bewertung als Terrororganisation „aus Verfahrensgründen“ annullierte. Die EU-Einstufung basiere nicht auf „Tatsachen, die in Entscheidungen zuständiger nationaler Behörden geprüft und bestätigt wurden, sondern auf der Zurechnung von Fakten, die der Presse und dem Internet entnommen sind“, hieß es damals in dem Urteil, gegen das Brüssel Revision einlegte. „Diese Streichung hätte nicht erfolgen dürfen“, schloss sich der EuGH der Brüsseler Sicht an, hob das Urteil wegen Rechtsfehler auf und ordnete eine neue Verhandlung vor dem EuG an. Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung bleiben alle seit 2001 geltenden EU-Sanktionen gegen die Hamas und ihre Funktionäre in Kraft.

Die militante Organisation mit ihrer strikten religiös-politischen Agenda ist nach der Fatah von Präsident Mahmoud Abbas die zweitgrößte Palästinensergruppierung. 1987 während der Ersten Intifada gegründet, besteht sie aus einem politischen und militärischen Zweig sowie einem charitativen Hilfswerk. In ihrer Charta bestreitet Hamas das Existenzrecht Israels, hält Gewaltakte gegen den jüdischen Staat für legitim und fordert ein islamistisches Palästina vom Mittelmeer bis zum Jordan. Ihre Machtbasis ist vor allem der Gazastreifen, wo sie seit zehn Jahren mit harter Hand regiert. Politisch geführt wird der Apparat seit Mai vom einstigen Regierungschef der Enklave, Ismail Haniyya, der als Pragmatiker gilt. Er löste Khaled Meschal ab, der die palästinensischen Islamisten seit 2006 repräsentierte und momentan in Katar lebt. Der militärische Arm der Hamas verübte zahlreiche Terroranschläge und Selbstmordattentate auf Israelis. Seit 2007 führten seine Qassam-Brigaden drei Kriege gegen Israel. Der letzte im Jahr 2014 forderte über 2000 Tote und hinterließ massive Zerstörungen, von denen sich der eingezäunte und mit fast zwei Millionen Menschen völlig übervölkerte Gazastreifen bis heute nicht erholt hat.

Wenig Freunde in der arabischen Welt

Die konkurrierende Fatah wurde 2007 mit Gewalt aus Gaza vertrieben und dominiert das politische Leben im Westjordanland. Das dadurch ausgelöste Zerwürfnis zwischen den beiden ideologischen Lagern ist bis heute ungelöst, so dass die Palästinenser gegenüber der israelischen Führung nicht mit einer Stimme auftreten. Im Mai 2017 allerdings deutete die Hamas in einem fünfseitigen Positionspapier erstmals die Bereitschaft an, zumindest zeitweise einen Palästinenserstaat in den Grenzen von 1967 zu akzeptieren. Den langfristigen Anspruch auf ganz Palästina und den bewaffneten Kampf gegen Israel jedoch gibt auch dieses neue Dokument nicht auf.

Ideologisch entstammt die Hamas der Bewegung der sunnitischen Muslimbruderschaft, die eine strikte islamische Gesellschaftsordnung anstrebt. Lediglich in Tunesien und Marokko sind Muslimbrüder noch an der Macht beteiligt, in der übrigen arabischen Welt dagegen sind ihre Aktivisten weitgehend unterdrückt und isoliert. Ägypten verbot nach dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi die Muslimbruderschaft als Terrororganisation.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2017)

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