Mobbing gegen den Justizminister

Die Ermittlungen in der Russland-Affäre lasten schwer auf den Schultern Donald Trumps. Er fühlt sich im Stich gelassen.
Die Ermittlungen in der Russland-Affäre lasten schwer auf den Schultern Donald Trumps. Er fühlt sich im Stich gelassen.(c) REUTERS (JONATHAN ERNST)
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USA. Die Attacken und Sticheleien Trumps gegen Jeff Sessions reißen nicht ab. Dahinter steckt womöglich die Strategie, den Ressortchef auszuwechseln, um Sonderermittler Mueller loszuwerden.

Wien/Washington. Die Selbsteinschätzung Donald Trumps hat im ersten halben Jahr seiner Präsidentschaft nicht unter den Rückschlägen gelitten. In der Geschichte und der langen Galerie seiner Vorgänger gebe es außer Abraham Lincoln keinen Präsidenten, der präsidiabler sei als er, rühmte er sich in einer Kundgebung in der einstigen Stahlstadt Youngstown in Ohio vor seinen Anhängern. Im Konjunktiv fabulierte er weiter, ob er irgendwann auf dem Mount Rushmore verewigt werden würde – dem Berg in South Dakota, in dem die Köpfe Lincolns, George Washingtons, Thomas Jeffersons und Theodore Roosevelts eingemeißelt sind. Die „Lügenpresse“, erklärte er, werde dies als Größenwahn auslegen.

Faktum ist, dass in der jüngeren US-Geschichte kein Präsident je einen Minister so gemobbt hat wie Trump seinen Justizminister Jeff Sessions. Ob in einem Interview in der „New York Times“, in morgendlichen Twitter-Tiraden oder in einer Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses mit Saad Hariri, dem libanesischen Premier: Unaufhörlich drischt Trump auf seinen Minister ein, der sich im Wahlkampf als erster republikanischer Senator auf seine Seite geschlagen hatte. In Seitenhieben geht er auch gegen Vize-Justizminister Rod Rosenstein und FBI-Chef Andrew McCabe los. Es offenbart neuerlich Trumps problematisches Verständnis von unabhängiger Justiz und der Gewaltenteilung.

„Extrem unfair“

Trump kritisiert Sessions als „zu schwach“ und als „angeschlagen“, unter anderem weil er in der E-Mail-Affäre keine Ermittlungen gegen Hillary Clinton eingeleitet habe. Vor allem jedoch ist er von dem früheren Bundesstaatsanwalt in Alabama enttäuscht, weil er sich in der Causa der Russland-Connection des Trump-Teams für befangen erklärt hatte. Sessions hatte ein Gespräch mit Sergej Kisljak, dem russischen Botschafter in den USA, während des Wahlkampfs verschwiegen und in der Folge die Ernennung des Sonderermittlers Robert Mueller nicht verhindert. Hätte er dies gewusst, hätte er Sessions nicht berufen, sagte Trump. „Das ist extrem unfair gegen die Präsidentschaft und den Präsidenten.“ Trump lässt die Zukunft von Jeff Sessions jedenfalls offen.

Washington ergeht sich nun im Rätselraten, was es mit den täglichen Attacken und Sticheleien aus dem Weißen Haus gegen den Justizminister auf sich hat. Will der Präsident den Minister so sehr schwächen und diskreditieren, dass der den Rückzug aus freien Stücken antritt? Steckt eine größere Rochade dahinter, um letztlich den Sonderermittler Mueller zu feuern?

In Planspielen hat seine Umgebung bereits New Yorks Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani und Senator Ted Cruz als Nachfolgekandidaten ins Gespräch gebracht, die aber bereits abgewunken haben. Trump-Berater geben zu bedenken, welche Auswirkungen ein erzwungener Rücktritt des erzkonservativen Justizministers auf die Anhängerschaft Trumps haben könnte. Sie forderten ein klärendes Gespräch zwischen dem Präsidenten und einer der Schlüsselfiguren seiner Regierung.

Eine Entlassung würde nicht nur die republikanische Stammklientel entrüsten – ihr würde im Zusammenhang mit der Russland-Affäre auch ein schaler Nachgeschmack anhaften. Namhafte republikanische Senatoren wie Mitch McConnell oder Orrin Hatch warfen sich für den Ex-Kollegen in die Bresche. Sessions selbst denkt angeblich nicht an einen Rücktritt. Er hängt, wie er mehrfach beteuert hat, zu sehr an dem Job. Ob er noch mehr Demütigungen Trumps über sich ergehen lassen kann, ohne sein Gesicht zu verlieren?

Inzwischen mehren sich im Kabinett die unzufriedenen Stimmen über Politik und Stil des Präsidenten. Sicherheitsberater H.R. McMaster äußerte jüngst seinen Frust über Trumps Gespräch mit Wladimir Putin und die Afghanistan-Strategie des Präsidenten, die er in die Hände des Pentagons gelegt hat. Als nun Außenminister Rex Tillerson von der Bildfläche verschwand, um seinen Urlaub anzutreten, weckte dies neue Spekulationen. Tillerson erklärte neulich bei einer Preisverleihung, er vermisse seinen alten Job als Boss des Ölkonzerns Exxon, wo er die alleinige Entscheidungsgewalt hatte. In der Katar-Krise und bei der Aufkündigung des Pariser Klimaabkommens nahm er eine konträre Position zu seinem Chef ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.07.2017)

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