Brutaler Mord gefährdet die Präsidentenwahl in Kenia

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In Nairobi ist der stellvertretende Vorsitzende der Wahlkommission offenbar gefoltert und ermordet worden. Chris Musando gehörte zu den wenigen Mitarbeitern des Gremiums, die Zugang zu den Computern für den Urnengang am 8. August hatten. Nun wächst die Sorge vor Gewalt.

Nairobi/Kapstadt. Am Montag hatte Chris Musando einen wichtigen Termin. Er sollte einen Testlauf des elektronischen Übermittlungsverfahrens der Stimmen leiten. Der stellvertretende Leiter der kenianischen Wahlkommission war einer der wichtigsten Akteure im Bemühen um friedliche und faire Präsidentschaftswahlen, die am 8. August stattfinden sollen. Im Jahr 2007 hatte es nach den Wahlen über 1000 Tote in dem ostafrikanischen Land gegeben, 2013 drohte eine Wiederholung der Unruhen, als die Elektronik spektakulär scheiterte und die Stimmen per Hand ausgezählt werden mussten.

Musando konnte den Termin nicht antreten. Die Polizei bestätigte stattdessen, dass es sich bei einer Leiche, die am Wochenende am Rande der Hauptstadt Nairobi gefundenen worden war, um Musando handele. In der Nähe wurde auch eine getötete Frau gefunden, deren Identität nicht bekannt gegeben wurde.

Eine letzte SMS in der Nacht

Die Polizei machte zu den Todesumständen keine Angaben. Kenianische Journalisten, die Zugang zum Leichenhaus hatten, berichteten aber von Stichverletzungen und Fesselspuren an den Händen. „Es besteht kein Zweifel, dass er gefoltert und ermordet wurde“, sagte Wafula Chebukati, der Vorsitzende der Wahlkommission IEBC. Er ist nun selbst gefährdet, eilig wurden ihm sechs Polizisten zur Verfügung gestellt, die nun rund um die Uhr seine Sicherheit garantieren sollen. Chebukati geht das nicht weit genug: Er fordert Personenschutz für alle seine Mitarbeiter.

Wie Chebukati gehörte Musando zu den wenigen Personen, die Zugang zu den Servern der IEBC hatten. Musando hatte mehrfach Morddrohungen erhalten und sie der Polizei gemeldet. Am Freitagabend war er zuletzt gesehen worden. Am Samstagmorgen schickte er gegen drei Uhr in der Früh eine SMS an einen Kollegen. Seitdem war nichts über seine Aufenthaltsorte bekannt, seine Frau hatte ihn am Sonntag als vermisst gemeldet.

Musando war vor allem für das „Kenya Integrated Electoral Management System“ (KIEMS) verantwortlich. Mit ihm sollen Wähler zweifelsfrei identifiziert und die Resultate an die Zentrale der Wahlkommission übermittelt werden. Noch in der vergangenen Woche hatte Musando im Fernsehen versichert, dass die Nation sich keine Sorgen machen müsse. Das KIEMS werde einwandfrei funktionieren.

Viele Kenianer halten eine Wiederholung der Massenmorde nach den Wahlen 2007 für unmöglich – zu tief sitze der Schock, so der Tenor. Dennoch wächst nun die Sorge vor Gewalt bei den Wahlen, die in dem ethnisch tief gespaltenen Land oft Zeiten der Unruhen sind. Präsident Uhuru Kenyatta tritt wie schon 2013 gegen den früheren Ministerpräsidenten Raila Odinga an.

Letzter Anlauf von Odinga

Odinga wurde einst in der DDR ausgebildet und in den 1980er Jahren verhaftet, als er versuchte, gegen den damaligen kenianischen Präsidenten Daniel arap Moi zu putschen. Seitdem bewarb er sich dreimal friedlich um das Präsidentenamt. Die Wahl am Dienstag wird wohl sein letzter Anlauf sein.

Verlässliche Umfragen sind in Kenia Mangelware, aber vieles deutet auf ein knappes Rennen hin. Die meisten Institute sehen Kenyatta vorne, ein Sieg im ersten Wahlgang, für den die absolute Mehrheit nötig ist, gilt als unwahrscheinlich.

Odingas Koalition „National Super Alliance“ verurteilte das Verbrechen als „abscheulichen Mord“. Die Täter würden eine „erschreckende Botschaft schicken, dass sie nichts unversucht lassen werden, um das gewünschte Resultat der Wahlen zu sichern“.

Angesichts eines voraussichtlich knappen Ausgangs und der Gefahr, dass der unterlegene Kandidat das Ergebnis nicht akzeptiert, ist die Arbeit der Wahlkommission von besonderer Bedeutung. Musando hatte sein Amt erst vor zwei Monaten angetreten. Sein Vorgänger hatte sich geweigert, das Wahlregister von Gutachtern prüfen zu lassen und war entlassen worden.

Auf Twitter gehörte der Hashtag #RIPMusando am Montag und Dienstag in Kenia zu den populärsten, viele äußerten sich schockiert. Hinweise auf einen Raubmord gibt es offenbar nicht, Musandos Auto wurde unversehrt aufgefunden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.08.2017)

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