Donald Trumps rechte Seilschaften

Proteste gegen die tödliche Gewalt in Charlottesville. Zwei Tage brauchte Trump, bis er rassistische Gruppen verurteilte.
Proteste gegen die tödliche Gewalt in Charlottesville. Zwei Tage brauchte Trump, bis er rassistische Gruppen verurteilte.(c) APA/AFP/GETTY IMAGES/Stephen Mat (Stephen Maturen)
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Der Präsident kann sich nach den rassistischen Ausschreitungen in Charlottesville nur schwer von den Rechtsradikalen distanzieren. Das bestärkt die Extremisten. Der rechte Rand hat mächtige Verbündete im Weißen Haus.

Washington. Richard Spencer keucht vor Anstrengung und Wut. Er ist zum rettenden Auto gerannt, seine geröteten Augen tränen noch vom Reizgas, das die Polizei in Charlottesville versprüht hat. Spencer ist auf dem Weg hinaus aus dem Stadtzentrum, wo seine Freunde aus diversen rechtsradikalen Gruppen ihre größte Machtdemonstration seit Jahren veranstalten; zusammen mit anderen Demonstranten ist Spencer gerade eben von der Polizei unsanft aus einem Park gedrängt worden. In der Stadt gibt es schwere Ausschreitungen, eine Gegendemonstrantin wird von einem Neonazi überfahren, Amerika ist geschockt.

Auch Spencer ist geschockt. Aber nicht über die Gewalt seiner Gesinnungsgenossen, sondern darüber, dass die Polizei gegen ihn und seine Leute vorgeht. „Ich bin außer mir“, sagt Spencer in einem Video, das er auf dem Beifahrersitz aufnimmt und später zusammen mit weiteren Kommentaren Online stellt. Er schimpft auf die Stadtverwaltung, die den Aufmarsch der Rechten verboten hat, und verspricht den Leuten der liberalen Universitätsstadt in Virginia eines: „Ihr glaubt, dass wir klein beigeben? Nein. Wir werden Charlottesville zum Zentrum des Universums machen. Wir werden noch öfter herkommen.“

Alte Bekanntschaften

Dass in Charlottesville eine unschuldige Frau durch einen Rechtsextremisten zu Tode kam, stört Spencer allenfalls, weil so etwas „kontraproduktiv für die Bewegung“ ist, wie er sagt. Der 39-Jährige ist Vordenker der „Alt Right“, der Alternativen Rechten, die den Rechtsradikalismus in den USA salonfähig gemacht hat. Und er ist eine Schlüsselfigur in den Verbindungen zwischen dem rechten Rand und dem Weißen Haus, die seit Charlottesville in aller Munde sind und die Präsident Donald Trump in die Enge treiben.

Spencer, Sohn einer Erbin einer Baumwollplantage in den amerikanischen Südstaaten, studierte europäische Geistesgeschichte an der angesehenen Duke University in North Carolina. Dort traf er den jungen Politik-Studenten Stephen Miller, der als konservativer Jude aus Kalifornien an der Universität für die Studentenzeitung schrieb. Spencer sollte später sagen, er sei eng mit Miller befreundet gewesen, was Miller bestreitet.

„Alt Right“-Mann Spencer hat Verständnis dafür, dass Miller mit Leuten wie ihm nicht mehr öffentlich in Verbindung gebracht werden will. Denn Miller ist inzwischen ein hochrangiger Berater und Redenschreiber von Donald Trump im Weißen Haus.

Der erst 31-Jährige ist Autor von Trumps Amtsantrittsrede nach der Vereidigung im Jänner, in der vom „Massaker an Amerika“ durch den freien Welthandel die Rede war. Zusammen mit einem anderen wichtigen Trump-Vertrauten entwarf Miller kurz nach dem Amtsantritt der neuen Regierung den berüchtigten Muslim-Bann.

Millers Helfer war Steve Bannon, ein 63-jähriger ehemaliger Soldat der US-Marine, der nach seiner Zeit beim Militär bei der Investmentbank Goldman Sachs ein Vermögen verdiente. Später wurde er Chef von Breitbart News, des inoffiziellen Sprachrohres der „Alternativen Rechten“, und schließlich Trumps Wahlkampfmanager und Chefstratege. Von allen Leuten im Weißen Haus stehen Miller und Bannon der „Alt Right“ am nächsten, sagt Richard Spencer.

Die Rolle des Chefstrategen

Bannon gefällt sich in der Rolle des Rebellen. Der Chefstratege ist überzeugt, dass der traditionelle Konservativismus der republikanischen Partei mit dessen Bekenntnis zum Freihandel US-Interessen zuwider läuft. „Globalist“ ist bei Bannon ein Schimpfwort. Als Trump den Nationalisten vorigen Sommer als Wahlkampfmanager anheuerte, schickte dieser ihn in die Hochburgen der gegnerischen Demokraten, weil er im Unmut über Hillary Clinton eine Chance witterte. Es funktionierte. Trumps Gegner hätten nichts kapiert, sagte Bannon dann.

Seitdem ist sein Stern gesunken, nicht zuletzt weil er sich mit Trumps Schwiegersohn Jared Kushner anlegte. Immer wieder kommen Gerüchte über eine bevorstehende Entlassung Bannons auf – auch nach den Ereignissen von Charlottesville. Doch er hat Verbündete innerhalb und außerhalb des Weißen Hauses. Dazu gehören reiche konservative Geldgeber wie die Milliardäre Sheldon Adelson und Robert Mercer. Zu Bannons Team innerhalb des Präsidialamts zählt sein früherer Breitbart-Kollege Sebastian Gorka.

Zu sagen, dass Gorka die Kontroverse liebt, wäre eine schwere Untertreibung. Als mutmaßliche US-Rechtsextremisten neulich eine Bombe in eine Moschee in Minnesota warfen, Trump die Tat aber nicht kommentierten wollte, war es Gorka, der für die Regierung vor die Kameras trat. Der massige Zweimeter-Mann rechtfertigte das Verhalten seines Chefs mit dem absurden Hinweis, der Bombenanschlag sei möglicherweise von Linken begangen worden, die eine anti-muslimische Tat vortäuschen wollten.

Kritiker sehen in Gorka, einem Sohn ungarischer Eltern, einen gefährlichen Einflüsterer eines populistischen und außenpolitisch unerfahrenen Staatschefs. Ein Mann wie Gorka habe im Weißen Haus nichts verloren, zitierte das Magazin „Rolling Stone“ den Ex-Geheimdienstler und Nahost-Experten Paul Pillar: Der Trump-Berater vertrete eine „Intoleranz“, die amerikanischen Werten widerspreche.

Aber möglicherweise liegt Gorka damit ganz auf der Linie seines Chefs. Trumps Schweigen nach dem Anschlag auf die Moschee in Minnesota ist ein Beispiel für seine Nachsicht gegenüber militanten Rechtsradikalen. Nach der tödlichen Gewalt von Charlottesville wird diese Nachsicht zum weltweiten Skandal. Zwei Tage lang drückt sich der Präsident um eine klare Verurteilung der Rechtsextremisten herum. Als er dann schließlich doch Gruppen wie die Neonazis und den Ku-Klux-Klan verdammt, klingt das nach einer Pflichtübung.

Blick auf die nächste Wahl

Trump wehrt sich dagegen, die Taue zum rechten Rand zu kappen. Er weiß, dass er seinen Wahlsieg nicht zuletzt jenen Amerikanern verdankt, die wie Spencer gerne wieder ein Land hätten, in denen die Weißen sagen, wo es langgeht. Und er denkt schon an die Wahl in drei Jahren. Die Wahl ist wohl ein wichtiger Grund dafür, dass Bannon nach wie vor im Weißen Haus ist. Wenn er Bannon feuert, sagt sich Trump nicht nur von der Alternativen Rechten los; nach einer Entlassung könnte Bannon zu einem gefährlichen Gegner der Regierung werden. Vielleicht wirkt Trump deshalb so, als sei ihm nicht wohl in seiner Haut, als er Anfang der Woche die Rechtsextremisten wegen der Gewalt von Charlottesville als „bösartig“ bezeichnet. Die Frage von Journalisten, ob er sich von der Unterstützung durch Leute wie „Alt-Right“-Chef Spencer distanziert, lässt er unbeantwortet.

Spencer versteht den Wink. Man solle das nicht so ernst nehmen, sagt er nach dem Auftritt. Auch andere Rechtsradikale gehen trotz Trumps Stellungnahme mit neuem Elan an die Vorbereitungen künftiger Aktionen. „Jede Stadt muss aufpassen“, sagte Eli Mosley, ein Organisator rechtsradikaler Demonstrationen, der New York Times. „Wir sind überall.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.08.2017)

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