Autor Akhanli kommt unter Auflagen in Spanien frei

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Dogan Akhanli darf das Gefängnis verlassen, muss aber in Madrid bleiben. Die Türkei hat jetzt 40 Tage Zeit einen Auslieferungsantrag zu stellen und zu begründen.

Der auf Betreiben der Türkei in Spanien festgenommene deutsche Schriftsteller Dogan Akhanli kommt unter Auflagen frei. Er muss aber zunächst in der Hauptstadt Madrid bleiben, wie sein Anwalt Ilias Uyar der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warf der türkischen Regierung am Sonntag in einer RTL-Sendung einen Missbrauch von Interpol vor. Die türkische Regierung hatte darüber die Festnahme von Akhanli beantragt. Internationale Einrichtungen wie die grenzübergreifende Polizeibehörde Interpol dürften "nicht für so etwas missbraucht" werden.

Die Türkei habe jetzt 40 Tage Zeit, einen Auslieferungsantrag in Spanien zu stellen und zu begründen. Dann werde es in Spanien ein Auslieferungsverfahren mit Anhörung geben.

Die spanische Polizei hatte Akhanli am Samstag auf Betreiben der Türkei festgenommen. Er hatte Urlaub in Granada gemacht. Bei dem Ersuchen der Türkei gehe es um den alten Vorwurf, dass sein Mandat 1989 an einem Raubmord auf eine Wechselstube in Istanbul beteiligt gewesen sei, sagte Uyar. Wegen dieses Vorwurfs war Akhanli, der seit seiner Flucht aus der Türkei 1991 in Deutschland lebt, schon einmal in der Türkei vor Gericht gestanden, wurde aber 2011 in Abwesenheit freigesprochen. 2013 wurde der Freispruch jedoch wieder aufgehoben und der Fall neu aufgerollt. Der Schriftsteller lebt seit seiner Flucht aus der Türkei 1991 in Deutschland und hat nur die deutsche Staatsbürgerschaft.

Uyar hält das türkische Gesuch für politisch motiviert. Es sei kein Zufall, dass das Festnahmeersuchen der Türkei gerade zu diesem Zeitpunkt gekommen sei. Akhanli, der ausschließlich die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, sei in der Vergangenheit immer wieder ohne Probleme ins Ausland gereist.

Trotz der Freilassung dürfe der Schriftsteller Madrid vorerst nicht verlassen, teilte Uyar am Sonntag auf seiner Facebook-Seite mit. Dies sei bei einer gerichtlichen Anhörung entschieden worden. Er hob aber hervor: "Der Kampf hat sich gelohnt. Dogan Akhanli kommt frei."

Schulz: "Paranoider Gegenputsch" von Erdogan

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hatte sich am Samstag persönlich eingeschaltet und mit seinem spanischen Amtskollegen Alfonso Dastis telefoniert, um eine Auslieferung des türkischstämmigen Schriftstellers an die Türkei zu verhindern. Akhanli war als Folge einer sogenannten Red Notice bei Interpol im Auftrag der Türkei festgenommen worden. Damit kann ein Staat die Festnahme eines Gesuchten mit dem Ziel der Auslieferung beantragen. Sein Anwalt hält das türkische Vorgehen für politisch motiviert.

Gabriel brachte seine Freude über die Freilassung zum Ausdruck und erklärte, Ankara dürfe nicht erreichen, dass Kritiker von Präsident Recep Tayyip Erdogan auch "am anderen Ende Europas" in Haft geraten.

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz nannte die Festnahme Akhanlis einen Vorgang von "wirklich dramatischer Bedeutung". Erdogan greife im Rahmen seines "paranoiden Gegenputsches" nun auch "Bürger unseres Landes auf dem Territorium von Mitgliedsstaaten der Europäischen Union an". Es habe keinen Sinn, in der aktuellen Situation mit der Türkei noch weiter über die Zollunion zu verhandeln. "Das, was Herr Erdogan macht, ist eine systemische Grenzüberschreitung." Grünen-Chef Cem Özdemir sagte dem "Tagesspiegel am Sonntag", die polizeiliche Zusammenarbeit mit der Türkei müsse einer Neubewertung unterzogen werden. "Offensichtlich arbeitet die türkische Justiz nicht nach rechtsstaatlichen Prinzipien", sagte er.

Erdogan beleidigt Gabriel

Im Streit über seinen Aufruf an türkischstämmige Deutsche zum Boykott von Union, SPD und Grünen bei der Bundestagswahl griff Erdogan Außenminister Gabriel an. "Wer sind Sie, dass Sie mit dem Präsidenten der Türkei reden?", sagte er auf einer Veranstaltung seiner Partei AKP in der Provinz Denizli am Samstagabend. Gabriel solle mit dem türkischen Außenminister sprechen und seinen "Platz kennen". "Er versucht, aufzustehen und uns zu belehren. Welche Erfahrung haben Sie in der Politik, wie alt sind Sie?" Ungeachtet dessen wiederholte Erdogan seinen Boykottaufruf.

Dieser rief auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) auf den Plan, der Erdogan vor Einmischung in die Parlamentswahl seines Landes warnte. Erdogan versuche die türkischstämmigen Gemeinschaften in anderen Ländern zu instrumentalisieren, sagte Kurz der deutschen Zeitung "Welt am Sonntag".

In seinen Werken befasst sich der 1957 geborene Schriftsteller auch mit der Verfolgung der Armenier in der Türkei - einem höchst kontroversen Thema, bei dem in Akhanlis alter Heimat regelmäßig die Emotionen hochkochen. Er selbst wurde nach dem Militärputsch als Mitglied der kommunistischen TDKP 1984 verhaftet. Von 1985 bis 1987 saß er in Istanbul in einem Militärgefängnis.

(APA/DPA)

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