Merkels Aufwärmübung für das TV-Duell mit Martin Schulz

Kanzlerin Angela Merkel.
Kanzlerin Angela Merkel.(c) APA/AFP/ODD ANDERSEN
  • Drucken

Die deutsche Kanzlerin ließ sich bei ihrer Sommerpressekonferenz nicht aus der Ruhe bringen. Sie punktete mit Kritik an der Türkei und Polen.

Wien/Berlin. Angela Merkel wirkt launig und zu kleinen Scherzen aufgelegt beim jährlichen Ritual in der Bundespressekonferenz in Berlin, das traditionell die politische Sommerpause in Deutschland beschließt – die heuer wegen des Wahlkampfs allerdings nur kurz währte. Das stabile Umfragehoch dreieinhalb Wochen vor der Bundestagswahl beflügelt die Stimmung der Kanzlerin und CDU-Chefin, die seit zwei Wochen durch die Republik tourt und auf den Marktplätzen zwei Mal täglich ihre Standardrede abspult.

Den verbalen Schlagabtausch mit der Korrespondentenschar nutzte sie am Dienstag zur Aufwärmrunde für das TV-Duell am Sonntag mit SPD-Chef Martin Schulz, ihren mittlerweile vierten Gegner auf Seiten der Sozialdemokraten. Sie habe den Namen ihres Herausforderers nun ja erwähnt, feixte sie, als sie die Frage vorwegnimmt, warum sie die Kontrahenten im Wahlkampf so geflissentlich und beharrlich negiert.

Gezählte 21 Mal hat Merkel in der Bundespressekonferenz als Regierungschefin Rede und Antwort gestanden. Wenn es nach ihr geht, wird sie nächstes Jahr wiederkommen – ohne arrogant erscheinen zu wollen, wie sie schmunzelnd anmerkt. Im Laufe ihrer zwölf Jahre im Kanzleramt haben Merkels Auftritte jedenfalls an Lockerheit und Souveränität gewonnen.

Meisterin in der Kunst des Ungefähren

Die Kanzlerin müht sich während der Dauer eines Fußballspiels samt kleiner Nachspielzeit, ein Thema nach dem anderen abzuhaken. Die Frage nach dem Einsatz von Bundeswehr-Hubschraubern zu Wahlkampfzwecken wischt sie weg. Ob denn nicht Langeweile den Wahlkampf dominiert, ob die Pfiffe gerade im Osten Deutschlands sie besonders treffen: Darauf mag die Physikerin und Pastorentochter aus Templin nicht näher eingehen. Routiniert und diplomatisch, in typisch Merkelscher Monotonie kommen ihr dabei die Antworten über die Lippen. In der Kunst des Ungefähren hat es die 63-Jährige zur Meisterschaft gebracht.

Von Gauland bis Erdoğan, von der Dieselaffäre bis zum Konflikt der EU mit Polen spannen sich die Fragen, und bisweilen überrascht die Kanzlerin dann doch mit scharfen Festlegungen. Die Äußerung des AfD-Spitzenkandidaten und ehemaligen CDU-Mitglieds Gauland über die „Entsorgung“ der türkischstämmigen Integrationsbeauftragten der Koalition – „rassistisch“. Fahrverbote für Dieselautos – vorerst nicht vorstellbar. Diesel- und Verbrennungsmotoren würden noch über Jahrzehnte eine Rolle spielen, betont sie.

Klartext spricht Merkel vor allem in der Türkei-Frage. Sie fordert die Freilassung prominenter Gefangener wie dem Journalisten Deniz Yücel und erteilt der Forderung nach Ausweitung der Zollunion mit Ankara eine glatte Abfuhr. „Ich würde sehr gerne bessere Beziehungen zur Türkei haben. Aber wir müssen natürlich die Realität betrachten.“ In puncto Flüchtlingspolitik, auf die sie gleich eingangs zu sprechen kommt, moniert sie: „Europa hat seine Hausaufgaben nicht gemacht.“ Umso mehr verspricht sie sich jetzt von einer Initiative zur Errichtung von Asylzentren in der Sahelzone.

Deutlich fällt die Kampfansage gegen Polen aus. Wenn die Rechtsstaatlichkeit auf dem Spiel stehe, könne man ja „nicht einfach den Mund halten“. Auch in der Frage der Russland-Sanktionen bleibt sie unnachgiebig. Die Außen- und Europapolitik liegt ihr längst mehr am Herzen als die Innenpolitik, an Detailkenntnis nimmt es indes kaum jemand mit ihr auf.

Martin Schulz und seine Spin-Doktoren werden aus dem Auftritt eine Lektion gezogen haben: Wer Angela Merkel aus der Reserve locken will, muss tief in die Trickkiste greifen. Die Korrespondenten haben dies nicht zuwege gebracht, und dabei haben sie lange gedrechselt, um geschliffene und pointierte Fragen zu stellen. Für Sandra Maischberger, Maybrit Illner & Co. bleiben noch fünf Tage an Vorbereitungszeit für das TV-Duell.

AUF EINEN BLICK

Wahlkampf. Bis zur Bundestagswahl am 24. September sind es nur noch dreieinhalb Wochen, und das TV-Duell zwischen Angela Merkel und Martin Schulz am Sonntag gilt als programmierter Höhepunkt eines bis dato an Spannung armen Wahlkampfs. Gestern absolvierte die Kanzlerin in Berlin ihre jährliche Sommerpressekonferenz – ein Testlauf für die TV-Debatte. Es war ihr 21. Auftritt vor der Bundespressekonferenz.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.08.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel bei der Bundespressekonferenz in Berlin
Außenpolitik

Merkel rechtfertigt härteren Kurs gegen die Türkei

Die deutsche Kanzlerin wirbt bei Deutsch-Türken um Verständnis für ihre restriktivere Türkei-Politik. Eine EU-Zollunion mit der Türkei werde Deutschland weiterhin blockieren.
Europa

Seehofer fordert Stopp der EU-Zahlungen an Türkei

Immer mehr deutsche Politiker wollen den Druck gegen Ankara erhöhen. Der bayrische Ministerpräsident kritisiert im Wahlkampf Merkels Haltung zum türkischen Präsidenten.
Parteienforscher Niedermayer: Koalitionsverhandlungen werden schwer.
Außenpolitik

„Merkels Image als Mutter der Nation ist erfolgreich restauriert“

Der renommierte deutsche Parteienforscher Oskar Niedermayer erklärt, wieso die Wahl wohl gelaufen ist.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.