Horst Seehofers Albtraum: Der Aufstieg der AfD

Wahlplakate AfD.
Wahlplakate AfD.(c) APA/AFP/JOHN MACDOUGALL (JOHN MACDOUGALL)
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Eine Zäsur: Rechts von der CSU öffnet sich jetzt ein Raum für die Rechtspopulisten.

Im Herzen Münchens, am Marienplatz vor dem Rathaus, feiert Bayern München mit seinen Fans traditionell den Meistertitel – zuletzt fünf Mal in Folge. Das ist auch der politische Anspruch der Unionsparteien: die Nummer eins in Deutschland. Angela Merkel und Horst Seehofer – gewissermaßen das Äquivalent zum Erfolgsduo Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge – hielten hier am Freitagabend die Abschlusskundgebung von CDU und CSU ab, und die politische Prominenz der Christlichsozialen war als Staffage aufmarschiert. Der Marienplatz war indes längst nicht so voll wie bei den Triumphen des Fußballklubs, des 27-fachen Rekordmeisters.

Nichts sollte die Harmonie trüben. Die Belehrungen, die harschen Töne aus München, die Drohung mit einer Verfassungsklage – alles Schnee von gestern. Die gravierenden Differenzen in der Flüchtlingspolitik waren notdürftig beigelegt, der Burgfriede sollte zumindest bis Sonntagabend, bis zur Schließung der Wahllokale um 18 Uhr, halten. Bei einem nur mäßigen Wahlsieg könnte danach das Hauen und Stechen zwischen den Schwesterparteien, die Kontroverse um eine Obergrenze, freilich von Neuem beginnen.


Politische Hooligans. Dass zugleich ausgerechnet die AfD, unweit vom Marienplatz, für die Wahl mobil machte, störte indessen das Wahlkampf-Drehbuch. Die Union verlegte die Reden der Parteichefs Seehofer und Merkel eigens ein paar Minuten nach vorne. Doch das half nichts mehr: Mindestens eine Hundertschaft an Anhängern der Rechtspopulisten – politische Hooligans – mischten sich unters Publikum.

Die Störenfriede stimmten ein gellendes Pfeifkonzert an, wie sie dies schon in den vergangenen Wochen überall praktiziert hatten, wo die Kanzlerin auftrat – von Annaberg-Buchholz im Erzgebirge bis Heidelberg. „Hau ab!“, „Merkel muss weg“, so lautete ihr Tenor. Der grassierende Unmut in Teilen der Bevölkerung über die Flüchtlingspolitik hatte die Regierungschefin eingeholt – just zum Finale in München, wo vor zwei Jahren Zehntausende Flüchtlinge am Hauptbahnhof ankamen, dem Ort der erst enthusiastisch bejubelten und später vielfach verteufelten „Willkommenskultur“.

Seehofer sah sich in seiner Kritik an der Kanzlerin bestätigt. Zugleich brüstete er sich, dass Merkel auf sein Betreiben hin, still und leise, längst einen Kursschwenk vollzogen habe. In München, in der Höhle des bayerischen Löwen, schlug die CDU-Chefin dann auch prompt schärfere Töne an, um der AfD gleichsam auf den letzten Metern den Wind aus den Segeln zu nehmen.


Die Rückkehr der F-Frage. Weitgehend unbemerkt hatte sich im Laufe des Wahlkampfs der Volkszorn über Merkels Credo „Wir schaffen das“ breitgemacht. Die F-Frage war mit Macht als Wahlkampfthema zurückgekehrt. Anfangs negiert und ignoriert, abgetan als notorische Querulanten, haben die zerstrittenen Rechtspopulisten dadurch wieder Aufwind bekommen. Sie schürten die Ressentiments, stachelten die Wutbürger auf – und wurden so zu einer Herausforderung für die etablierten Parteien, insbesondere für die CSU.

Rechts von der Christlich-Sozialen Union dürfe kein Platz für eine politische Kraft sein: Franz Josef Strauß, der Säulenheilige der CSU, prägte das wirkmächtige Diktum, das für seine Partei bis heute Gültigkeit hat. Noch im Frühjahr tat Seehofer seinen Traum kund, die damals schwächelnde AfD aus dem Bundestag herauszuhalten. Ein paar Monate später spotten die Rechten auf Plakaten: „Franz Josef Strauß würde AfD wählen.“ Seehofer überging die Provokation und beklagte, dass die Medien der Rechtspartei zu viel Raum geben würden.

In der CSU-Zentrale greift derweil Nervosität um sich. 2013 war die AfD nicht bei den Landtagswahlen in Bayern angetreten. Doch bei der Wahl in einem Jahr winkt ihr der Einzug ins Maximilianeum, den bayerischen Landtag. Die hauchdünne absolute Mehrheit der CSU dürfte dann dahin sein. Für das Ende seiner politischen Karriere hat sich Horst Seehofer gewiss einen anderen Schlusspunkt vorgestellt. Also wird er bis dahin zetern und poltern – auch gegen die Parteifreunde in Berlin –, um die AfD möglichst einzudämmen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.09.2017)

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