Kataloniens Separatisten spielen auf Zeit

Eine Demonstrantin in Madrid fordert Frieden und Dialog mit den Katalanen.
Eine Demonstrantin in Madrid fordert Frieden und Dialog mit den Katalanen. (c) APA/AFP/GABRIEL BOUYS (GABRIEL BOUYS)
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Donnerstag entscheidet sich, ob Madrid Autonomiestatus Kataloniens aufhebt. Erstes Ultimatum verstrichen.

Madird. Gefährliches Spiel auf Zeit in Katalonien: Der katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont hat ein erstes Ultimatum der spanischen Regierung verstreichen lassen, ohne auf ihre gestellten Bedingungen einzugehen. Dies wird von der Zentralregierung als Bestätigung interpretiert, dass Puigdemont nicht bereit ist, von seinem einseitigen Abspaltungsplan für die spanische Region Katalonien abzurücken. Sollte er seine Haltung bis Donnerstag nicht ändern, droht ihm und seiner Separatistenregierung in Barcelona die Zwangsentmachtung.

„Puigdemont hat entschieden, nicht zu antworten“, sagte Soraya Sáenz de Santamaría, Vize-Regierungschefin Spaniens. Oder jedenfalls nicht so, wie es Madrid gefordert hatte. Spaniens Premier Mariano Rajoy hatte Puigdemont vergangenen Mittwoch ein ultimatives Schreiben geschickt. Darin wurde der katalanische Regierungschef aufgefordert, eindeutig klarzustellen, ob seine Separatistenfront die Unabhängigkeit Kataloniens erklärt habe oder nicht.

Separatistenführer Puigdemont reagierte mit einem Brief an Rajoy, in dem er der entscheidenden Antwort auswich und keinen Schritt von seinem Kurs abrückte. Er bekräftigte den „demokratischen Auftrag, die Unabhängigkeit zu erklären“, den die Katalanen mit dem Referendum vom 1. Oktober dem katalanischen Parlament erteilt hätten. Aber er verlor kein Wort darüber, dass diese Abstimmung, bei der 90 Prozent mit Ja stimmten, aber nur 43 Prozent mitmachten, vom Verfassungsgericht verboten worden war, weil sie nicht dem Gesetz entsprach. Das Ergebnis wurde weder von Spanien noch von der EU anerkannt.

Zugleich ging Puigdemont zum Gegenangriff über und forderte Rajoy auf, „die Repression gegen das Volk und die Regierung Kataloniens zu stoppen“.

Was er unter spanischer „Repression“ versteht, zählte er im Folgenden auf: die Ermittlungen der spanischen Justiz gegen etliche mutmaßliche Verantwortliche der Separatisten, denen mehrere Delikte bis hin zur Rebellion angelastet werden. Und vor allem der Versuch des Staates, das illegale Referendum mit brachialer Polizeigewalt zu verhindern. Ein Einsatz, bei dem es in der Tat empörende Knüppel-Szenen gab, für die sich Spaniens Regierung später entschuldigen musste. Puigdemont gab sich in seiner jüngsten Verlautbarung dialogbereit, schlug eine internationale Vermittlung vor und bat um ein Gespräch mit Rajoy. „Die Priorität meiner Regierung ist es, den Weg des Dialogs zu suchen. Unser Vorschlag ist ernsthaft und ehrlich.“

Das klingt gut, aber trotzdem macht Puigdemont kein bedingungsloses Gesprächsangebot zur Krisenentschärfung, sondern es soll nach seiner Meinung nur um eines gehen: darum, „dass die Mehrheit des katalanischen Volkes den Weg zu einem unabhängigen Land in Angriff nehmen will“.

Gespaltene Bevölkerung

Den Beweis, dass tatsächlich eine Mehrheit der 7,5 Millionen Katalanen die Unabhängigkeit will, muss Puigdemont aber noch erbringen. Sicher ist nur, dass die katalanische Gesellschaft gespalten ist. Bei der letzten Umfrage der Regionalregierung vom Juli waren nur 41 Prozent für eine Abspaltung, aber 49 Prozent dagegen. Bei der Regionalwahl 2015 stimmten nur 47,8 Prozent der Wähler für die Unabhängigkeitsparteien, auch wenn dies für eine absolute Mehrheit im Parlament in Barcelona reichte. Das jüngste Chaos-Referendum, das vom prospanischen Lager weitgehend boykottiert wurde, brachte keine brauchbaren Ergebnisse.

Rajoy appellierte an Puigdemont in einer neuen Depesche am Montag, „zur Legalität zurückzukehren“. Madrid sei nicht gegen einen Dialog, aber der müsse im spanischen Parlament stattfinden, das letztlich über einen Unabhängigkeitswunsch einer Region zu befinden habe. Rajoy lud Puigdemont ein, sich dem Parlament zu stellen und dort für seine Unabhängigkeitspolitik um Unterstützung zu werben. Im Frühjahr hatte eine große Mehrheit im spanischen Abgeordnetenhaus ein Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien abgelehnt.

Rajoy wies zudem den Vorwurf zurück, dass die Region Katalonien von Spanien unterdrückt werde und es einen „historischen Konflikt“ zwischen Madrid und Barcelona gebe: „Die Bürger Kataloniens haben in ihrer Geschichte noch nie größere Freiheiten sowie politische und finanzielle Autonomie gehabt wie in dieser demokratischen Etappe.“ Das stimmt, obwohl zum Beispiel das spanische Baskenland einen noch größeren Grad an Selbstverwaltung genießt, was viele Katalanen ärgert.

Einlenken unwahrscheinlich

Spaniens Krisenmanagerin, Vize-Regierungschefin Sáenz de Santamaría, machte klar, dass Puigdemonts Zeit ablaufe, wenn er nicht bis Donnerstag zehn Uhr alle bereits eingeleiteten Schritte in Richtung Unabhängigkeit stoppe. Puigdemont hatte freilich bereits in der Vergangenheit alle Aufforderungen der spanischen Regierung wie des Verfassungsgerichts, seine gegen spanisches Recht verstoßende illegale Unabhängigkeitsfahrt zu stoppen, ignoriert. Mit einem Einlenken Puigdemonts am Donnerstag ist also nicht zu rechnen.

Rajoy kündigte bereits an, was dann geschehen wird: Die Region Katalonien wird befristet unter die Kontrolle der spanischen Zentralregierung gestellt und die rebellische Regionalregierung muss mit ihrer Absetzung rechnen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.10.2017)

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