"Bevor es zu spät ist" - dramatischer Video-Apell der Katalanen

Omnium Cultural appelliert an europäische Mitbürger, die katalanische Unabhängigkeitsbewegung zu unterstützen.
Omnium Cultural appelliert an europäische Mitbürger, die katalanische Unabhängigkeitsbewegung zu unterstützen.(c) Screenshot Youtube
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"Die beiden Jordis", die zwei Chefs einflussreicher katalanischer Organisationen sind in Haft. Eine davon, Omnium Cultural, veröffentlichte eine Videobotschaft mit drastischen Bildern und Slogans: "Sie schlugen auf ältere Bürger ein."

"Das ist Barcelona. Katalonien. Europa. Und diese Leute hinter mir sind Katalanen." Mit dramatischer Stimme wendet sich eine Frau in dem Video direkt an europäische Mitbürger, den Blick stets fest in die Kamera gerichtet. Es folgen Bilder des Polizeieinsatzes während des Unabhängigkeitsreferendums am 1. Oktober in Barcelona, als spanische Polizisten die Menge teils gewaltsam zurückdrängten und Wahlurnen beschlagnahmten. "Sie schlugen auf ältere Bürger und Jugendliche ein. Welches Verbrechen hatten diese Personen begangen?", fragt die Frau mit Tränen in den Augen. Die Antwort gibt sie selbst: "Sie wollten abstimmen gehen".

Das Video wird derzeit intensiv von Katalanen geteilt. Gemacht hat es die Organisation Omnium Cultural, eine der einflussreichtsten Bürgerbewegungen, die sich für die Unabhängigkeit Kataloniens einsetzt. Das Ziel: den innerspanischen Konflikt auf internationale Ebene zu heben. Denn das will die spanische Zentralregierung auf jeden Fall verhindern. Und vor allem: Das Video soll Emotionen wecken, Sympathie und Verständnis für die Anliegen der Katalanen wecken.

Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist nicht zufällig. Der Chef von Omnium Cultural sitzt seit Montag in Untersuchungshaft, wie auch ein anderere einflussreicher Aktivist mit demselben Vornamen. "Die beiden Jordis"  sind die führenden Köpfe der Organisationen, die für die Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien die Massen mobilisieren. Jordi Sanchez leitet die Katalanische Nationalversammlung (ANC), nicht zu verwechseln mit dem regionalen Parlament. Jordi Cuixart steht an der Spitze der Kulturvereinigung Omnium Cultural, die seit Jahrzehnten die katalanische Sprache hochhält.

Der Vorwurf der spanischen Justiz gegen Sanchez und Cuixart lautet auf "aufrührerisches Verhalten". Doch hinter den beiden Jordis stehen weit mehr als 100.000 Mitglieder.

Die Katalanische Nationalversammlung

Die Katalanische Nationalversammlung (Katalanisch: Assemblea Nacional Catalana) hat sich in wenigen Jahren zur Speerspitze der Unabhängigkeitsbewegung entwickelt. 2012 organisierte sie erstmals eine Massenkundgebung zum katalanischen "Nationalfeiertag" Diada. Seither strömen jedes Jahr Hunderttausende zusammen, um am 11. September Slogans wie "Wir sind eine Nation!" und "Wir entscheiden!" zu singen. Die Kundgebungen erfolgen im Gedenken an den 11. September 1714, als spanische und französische Truppen während des Spanischen Erbfolgekrieges Barcelona eroberten.

Ihren Ursprung nahm die Nationalversammlung mit einer Volksabstimmung im September 2009, als in der katalanischen Kleinstadt Arenys de Munt erstmals in einem kleinen Rahmen die Unabhängigkeit Kataloniens reklamiert wurde. Inzwischen zählt die Nationalversammlung 40.000 Mitglieder. Die erste ANC-Vorsitzende Carme Forcadell wurde zur katalanischen Parlamentspräsidentin gewählt, nachdem die Unabhängigkeitsbefürworter die Regionalwahl 2015 gewonnen hatten.

Omnium Cultural

Traditionelles Sammelbecken der katalanischen Nationalisten ist die Kulturvereinigung Omnium Cultural, die schon 1961 gegründet wurde. Heute nimmt Omnium Cultural für sich in Anspruch, die größte Bürgerbewegung Kataloniens zu sein. Sie zählt 75.000 Mitglieder.

Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand für Omnium Cultural zunächst die Wahrung der katalanischen Sprache, die während der Diktatur von Francisco Franco (1939-75) von den spanischen Behörden aus dem öffentlichen Leben verdrängt wurde. Über die Jahrzehnte erlangte Omnium Cultural den Status eines bevorzugten Gesprächspartners der Regionalregierung in Barcelona. Im Jahr 2012 beschloss die Vereinigung  sich aktiv am "Prozess der nationalen Befreiung" zu beteiligen.

(APA/AFP/Red.)

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