Trump: Aktion scharf nach Attentat

Nach dem Anschlag: Ein Polizist untersucht den Tatort in Manhattan, wo ein Mann mit einem Lieferwagen Radfahrer und Fußgänger niedermähte.
Nach dem Anschlag: Ein Polizist untersucht den Tatort in Manhattan, wo ein Mann mit einem Lieferwagen Radfahrer und Fußgänger niedermähte.REUTERS
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Der US-Präsident sieht nach dem ersten schweren islamistischen Attentat während seiner Amtszeit just in New York die Gelegenheit, die Einwanderungsbestimmungen endlich zu verschärfen.

Washington. Donald Trump sieht sich durch den Fall des 29-jährigen Usbeken Sayfullo Saipov bestätigt. Zwar hat seine höchst umstrittene schwarze Liste für das Einreiseverbot in die USA nicht den zentralasiatischen Staat Usbekistan umfasst, sondern sieben muslimisch dominierte Länder des Nahen Ostens und Nordafrikas – und dass der Attentäter des Halloween-Nachmittags, der auf dem Radweg am New Yorker Hudson River zumindest acht Todesopfer forderte, schon seit sieben Jahren in Ohio, Florida und New Jersey gelebt hat, war für den US-Präsidenten nur ein Detail und nicht weiter von Belang.

Für ihn steht aber fest, dass die Einreisebestimmungen und Kontrollen umgehend verschärft werden. Und genau dies ordnete Trump auch an. „Nicht in den USA!“, twitterte er. Das Land könne sich keine falsch verstandene Toleranz erlauben, erklärte er via Kurznachrichtendienst, seinem bevorzugten Kommunikationsorgan.

Zuerst dachten am Dienstag alle an einen Halloween-Scherz. „Da schießt einer“, riefen die Leute. „Weg hier! Er hat eine Waffe!“ Auch Sirus Minovi, ein 14-jähriger Schüler der privaten Stuyvesant-High-School in Downtown Manhattan, glaubte an einen Jux. Doch es war tödlicher Ernst.

Vom IS inspirierter Einzeltäter

Sayfullo Saipov war mit einem gemieteten Pick-up-Truck auf einer Strecke von mehr als 1,5 Kilometern auf einem Radweg durch Radfahrer und Fußgänger gepflügt, ehe er einen Schulbus rammte und zum Stehen kam. Mit zwei Waffen in den Händen, einem Luftdruckgewehr und einem Paintball-Gewehr, lief er aus dem Truck, wurde von einem Polizisten angeschossen und festgenommen. „Allahu akbar“ – „Gott ist groß“ – rief er noch. Dann brachte ihn die Polizei mit einem Bauchschuss in ein bisher geheim gehaltenes Krankenhaus.

Die Behörden gehen von einem Einzeltäter aus, von einem so genannten Lone Wolf, der vom Islamischen Staat (IS) inspiriert war. Als Vorbild könnten der Lkw-Anschlag am französischen Nationalfeiertag in Nizza, der Weihnachtsmarkt-Anschlag von Berlin oder zwei Attentate im Frühjahr in London, allesamt von islamischen Extremisten ausgeführt, gedient haben.

Auf dem Radstreifen hinterließ Saipovs Pick-up-Truck eine Spur des Schreckens. Ein Jogger, Tom Kendrick, berichtete von Leichen und verstreuten Fahrradteilen. Kendrick fand drei der Todesopfer, die dicht beieinanderlagen. „Es war fürchterlich, es war brutal, es war surreal“, sagte er der „New York Times“.

„Virtuelles Kalifat“

Die Einvernahme Saipovs im Spital hat bereits begonnen. Der Usbeke war im Jahr 2010 mit legaler Aufenthaltsgenehmigung in die USA gekommen und hatte sich in Florida niedergelassen. Später zog er nach New Jersey, er arbeitete als Lastwagenfahrer und als Chauffeur des Fahrdiensts Uber. Sein Motiv gibt Rätsel auf. Im Inneren des Trucks fand sich ein Bekenntnis zum IS. Laut Presseberichten war Saipov den Behörden bekannt. Frühere Nachbarn Saipovs schilderten ihn als Mann, der den amerikanischen Traum lebte. Er wollte möglichst rasch Englisch lernen. Er heiratete, war Vater von zwei Kindern und wollte ein Fuhrunternehmen aufziehen.

Laut „New York Times“ haben französische IS-Mitglieder am Montag zu Anschlägen zu Halloween aufgerufen. Islamisten aus Zentralasien haben schon mehrere Anschläge begangen. So tötete ein Landsmann von Saipov in der Silvesternacht in Istanbul 39 Menschen in einem Nachtclub.

Saipov hatte sich einen Tatort ausgesucht, der in den USA sofort die Erinnerung an die Katastrophe des 11. September 2001 wachrief: Das Finanzviertel von Manhattan, wo islamistische Täter vor 16 Jahren zwei Verkehrsflugzeuge in die Türme des World Trade Center lenkten, liegt in der Nähe.

Nach der Niederlage des IS in seiner „Hauptstadt“ Raqqa in Syrien sei damit zu rechnen, dass die Jihadisten verstärkt auf Anschläge außerhalb Syriens setzten, sagte Adam Schiff, der Obmann der oppositionellen Demokraten im Geheimdienstausschuss des Repräsentantenhauses. Schiff sprach von einem „virtuellen Kalifat“ aus Internetverbindungen und Online-Mobilisierungen radikaler Anhänger, das der IS gründen wolle.

Der Anschlag heizt die Debatte in den USA über Einwanderungsbeschränkungen an. Nun macht Trump Stimmung gegen die Verlosung von US-Aufenthaltsgenehmigungen für Menschen aus armen Ländern, die jährlich rund 50.000 Bewerbern ein Leben in den USA ermöglicht und von der Saipov profitiert haben soll. Er wolle das System auf eine neue Grundlage stellen und nur noch Einwanderer ins Land lassen, die nach strenger Überprüfung einen Nutzen für die USA bringen, schrieb der Präsident auf Twitter. Saipovs Zuzug gehe auf das Konto Chuck Schumers, des Fraktionschefs der Demokraten im Senat, kritisierte Trump: Schumer habe die Multikulti-Lotterie ins Leben gerufen.

„Religionskrieg“ gegen radikalen Islam

Die Stellungnahmen des Präsidenten zeigen, dass Trump auch nach einer Tragödie wie der in New York kein Interesse an einer überparteilichen Position als Landesvater hat. Er sieht solche Ereignisse aus der Warte des Wahlkämpfers, der jede Chance nutzt, um seine Gegner zu attackieren und seine Anhänger zu begeistern. Der republikanische Senator Lindsay Graham lobte Trump: Die USA seien in einem „Religionskrieg“ gegen den radikalen Islam.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2017)

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