Tschechien: Babiš sucht die Nähe von Kommunisten und Rechtsextremen

Andrej Babiš findet keine Koalitionspartner.
Andrej Babiš findet keine Koalitionspartner. (c) APA/AFP/MICHAL CIZEK
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Um Unterstützung für eine Minderheitsregierung zu finden, tastet Wahlsieger und Milliardär Babiš die Entschädigung der Kirchen an.

Prag. Der designierte Prager Regierungschef, der Milliardär Andrej Babiš, ist auf seiner Suche nach Unterstützung am linken und rechten Rand gelandet. Für die stille Duldung einer von ihm geführten Minderheitsregierung ist er offenkundig bereit, an einem Sakrileg zu rütteln: In Sondierungsgesprächen soll er zugestimmt haben, die Entschädigung der Kirchen anzutasten.

Rückblick: Die Stalinisten hatten in der Tschechoslowakei der 1950er-Jahre das Eigentum der Kirchen „nationalisiert“, im Klartext: gestohlen. Selbst der Veitsdom in Prag gehörte nach Jahrhunderten plötzlich „dem Staat“. Nach komplizierten Verhandlungen kam nach der „Wende“ ein Restitutionsgesetz zustande, mit dem der Staat das Unrecht tilgen wollte.

Dieses Gesetz sieht vor, dass Kirchen und Religionsgemeinschaften ihr früheres Eigentum zurückbekommen. Wenn das nicht mehr möglich ist, weil die Gebäude oder Liegenschaften nicht mehr existieren, leistet der Staat noch bis 2043 Entschädigungszahlung. Die gesamte Entschädigungssumme beläuft sich auf umgerechnet 2,36 Milliarden Euro. Durch die von Babiš beabsichtigte Besteuerung würden 450 Millionen Euro wieder in die Staatskasse zurückfließen. Gegen die Entschädigung waren in den vergangenen Jahren vor allem die linken Parteien zu Felde gezogen. Das Verfassungsgericht hatte jedoch alle Einsprüche dagegen zurückgewiesen.

Schon als Finanzminister hatte Babiš den Wunsch geäußert, die Entschädigungssumme mit 19 Prozent zu besteuern. Daraus wurde nichts, weil die von Babiš geführte Bewegung, ANO, damit auf erbitterten Widerstand der mit in der Regierung sitzenden Christdemokraten traf. Jetzt wiederholte Babiš seine Absicht und kann sich der Zustimmung der Kommunisten (KSCM) und der rechtsextremen Partei der direkten Demokratie (SPD) sicher sein. Mit diesen Parteien hätte Babiš im Parlament eine klare Mehrheit.

Mit seiner Absicht hat sich Babiš am Wochenende jedoch massive Kritik eingehandelt. Juristen, Politiker und Kirchenvertreter erklärten in der Zeitung „Právo“, der Plan sei „schwer durchsetzbar und vor Gericht nahezu nicht zu begründen“.

Der Juraprofessor Jan Kysela etwa sieht in dem Plan einen „grundsätzlichen Fehler“. Den Finanzausgleich leiste der Staat „für etwas, was (den Kirchen physisch) nicht mehr zurückgegeben werden kann“. Dies zu besteuern „stünde im Widerspruch zum Gesetz und zu den Restitutionsverträgen, die der Staat mit den Kirchen geschlossen hat“, so der Jurist.

Der konservative Abgeordnete Marek Benda, der an dem Restitutionsgesetz mitgearbeitet hat, nannte die Überlegung des designierten Premiers „absurd“.

Führende Christdemokraten bezeichneten den Vorschlag als „populistisch und verfassungswidrig“. Der Pilsener Bischof Tomáš Holub sagte, er hoffe, dass die Regierung das Recht achten werde.

Babiš selbst ruderte danach im öffentlich-rechtlichen Fernsehen vorsichtig zurück. Er sagte: „Ich weiß nicht, ob die Besteuerung aus rechtlicher Sicht und damit vor dem Gesetz möglich ist.“
Sollte Babiš mit der Unterstützung der beiden Parteien vom linken und rechten Rand das einst mühsam gestrickte Restitutionsgesetz in einem zentralen Punkt kippen, würde er bei seinen Wählern weiter an Zustimmung gewinnen. Im Volk war die Restitution nie beliebt; es herrscht die Meinung vor, die Kirche wolle sich „bereichern“. Dass es Sinn des Gesetzes war, altes kommunistisches Unrecht zu tilgen, interessierte in Umfragen nur herzlich wenig.

Druckmittel in Koalitionsgesprächen

Die Geschichte hat aber noch einen zweiten Teil: Babiš setzt mit der Kungelei am linken und rechten Rand die demokratischen Kräfte unter Druck, sich nicht länger einer Zusammenarbeit mit ihm zu verweigern. Sozialdemokraten, Christdemokraten, bürgerliche Parteien wie die konservative ODS und auch die Piraten lehnen bisher nicht nur eine Koalition mit Babiš ab, sondern auch die stille Duldung einer Babiš-Minderheitsregierung. Womöglich erzwingt der Wahlsieger bei ihnen jetzt ein Umdenken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.11.2017)

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